Nina Hagen :: Nun Sex Monk Rock

Exorzismus, Hexensabbath, Nina, die Prophetin, Nina der Guru, Nina, das kindliche Rädchen im Getriebe, Nina, die Dämonin; Nina, die naiv empfangende, Nina, die Unberechenbare zwischen „Meditation/Relaxation“ und dröhnendem Über-Ich. „Die Texte entsprechen meinem Charakter,“ sagt sie im Interview. Wie recht sie hat. Wer sonst kann sie von einer Sekunde auf die andere vom kleinen Mädchen in ein Monster verwandeln?

Jeder Song von NUN SEX MONK ROCK ist ein Energiestoß voller Wechselbäder. Starke Nerven sind erforderlich. Ich selbst brauchte zugegeben vier Anläufe, um mich aui das rasend schnelle Spiel einzulassen. Sitzt man erst einmal drin im Karussell, geht’s ganz gut, denn die LP ist manchmal nicht ohne Magie, wenn auch reichlich überdreht. Eine Inflation von Dubs- und anderen Soundmätzchen, manchmal komme ich mir vor wie in einem Laden voller röchelnder Killerautomaten. Und die Musik schlägt natürlich auch in jede erdenkliche Stimmungskerbe zwischen Funk, Hardrock, professionellem Chaos und spaciger Meditations-Basis.

Der Junkie-Horror in „Smack Jack“ (der Song stammt noch von Ninas ex-Freund Ferdinand Karmelk) verkauft sich mit viel Tempo und Ninas Stimmakrobatik eigentlich noch ganz optimal – schwieriger dürfte es mit den restlichen Songinhalten werden.

Wie gesagt meditation/relaxation… Nina Hagen, Nina Hagen…

(jeder ist sich meinetwegen selbst sein bestes Mantra)… / am the chosen one… so ein spiritueller Overkill mag im allgemeinen noch als vollgekiffter Pausengag durchgehen. Schwerer wird sie’s haben, ihre auf kindlicher Narrenfreiheit aufgebauten religiösen Botschaften glaubhaft an ihr Publikum zu bringen.

Bei allem Respekt vor irgendwelchen persönlichen Entscheidungen, sein Leben spirituellen Erkenntnissen unterzuordnen, ist Nina Hagen mit ihrer Sprunghaftigkeit nicht gerade der überzeugendste Prophet. Ihre hastige Überfütterung mit (neuen) Erkenntnissen treibt teilverdaut exotische Blüten. Warten auf den neuen Jesus Christus-Buddha, auf das jüngste Gericht, auf die UFOs, die uns retten. Sie weiß von allem etwas und nichts richtig. Das macht sie durchschaubar.

Das Cover zeigt sie als Mutter Maria mit Kind. Natürlich bekommt auch ihr Baby sein Lied: „Cosma Shiva“, bestechende Kindertöne, fröhlicher Kindergesang von Mutter Nina. Bei allem weiß sie wiederum sehr gut, was sie tut.

Wegen ihrer unberechenbaren Genialität ist diese LP am ehesten noch phänomenal zu nennen. Aber eben nicht im Sinne unserer Höchstwertung von sechs Sternen, falls ihr wißt, was ich meine.