Norah Jones
Not Too Late
Hochdrucktraditionalismus, Roots-Tiefstapeteien und unfreiwilliger Kaffeehauspop. Durchweg schön anzuhören, aber ohne wirklich gute Songs.
Es klimpert und zirpt auf kleinstem Raum. Grashüpferflügel streichen über lieblich lackierte Celli, Kerzen flackern, niemand raucht. Es scheint sich nicht allzu viel geändert zu haben bei Norah Jones, Stimmwunder. Blue-Note-Roots-Aufsteigerin und Stimmwunderkind. Noch immer macht sie diese anfechtungsresistente, aufregungsfeindliche, handgewobene Musik, der man wenig vorwerfen kann – außer ihrer medialen Überstigmatisierung, aber da kann die Musik ja wenig für. Im Gegensatz etwa zu den konfektionierten Ohrpuscheleien eines Moby hat sich Norah Jones nie an die Bedürfnisse des Hintergrundmusikmarktes rangeschmissen. Dass ihre Platten so oft in Kaffeeausschankpalästen laufen, ist somit eher Zufall. Tatsächlich hat sich auf Norah Jones drittem Album so einiges geändert. So entstand not to late ohne den im Juni verstorbenen Produzentenpaten Arif Mardin, der die ersten beiden Jones-Alben betreute. Zum zweiten ist Jones‘ Stamminstrument, das Klavier, längst nicht mehr so dominant wie auf den beiden Vorgängerplatten. Am wichtigsten aber ist wohl, daß die 27-Jährige diesmal als Autorin sämtlicher Songs firmiert – es findet sich keine einzige Coverversion auf not to late. Und genau hier- und nicht im betulichen Powertraditionalismus – liegt das Hauptproblem des Albums. Norah Jones ist einfach keine besonders gute Songschreiberin. Alles wirkt ein bisschen verklemmt, ängstlich und abgekupfert. „Wish I Could“, der Opener. geht noch einigermaßen in Ordnung: Eine sanft gezupfte Gitarre trifft auf zarte Streichereien und die gebirgsbachklare Stimme der Sängerin, deren unangestrengter Ausdruck immer noch seinesgleichen sucht.“.Sinkin Soon‘, der zweite Song, klingt leider gerade deshalb so kümmerlich, weil Norah Jones hier tatsächlich etwas versucht: Das Stück, ein gewollt torkelnder Slow-Shuffle, klingt letztlich wie eine geglättete Coverversion eines Tom-Waits-Outtakes. „We’re gonna be sinkin‘ soon singt Norah Jones. Angeblich, so die Sängerin, hätte sie vor der Aufnahme ein paar Bier geladen; man nimmt ihr die Angeschlagenheit dummerweise trotzdem nicht ab. So geht es weiter: Es gibt müde Verandaschleicher LUntil The End’l mit schönen Hammond-B3-Parts (Larry Goldingsll, Blues-Pop mit Getröte und E-Piano I.Thinking About You“) und den Versuch einer düsteren Ballade, die sich in kritischem Patriotismus versucht [,.My Dear Country“). Songschreiberisch leider alles biedere Durchschnittsware. Einmal, im lediglich von einer schlichten E-Gitarre und mehreren übereinander gelegten gestrichenen Bässen getragenen „Frozen“, vermag Norah Jones einen wirklich kurz zu packen. Ansonsten rettet das musikalische Handwerk und Norah Jones‘ Stimme das Album. Schade, Chance verpasst. Dennoch: Den Verkaufszahlen wird das mit Sicherheit keinen Abbruch tun. VÖ:26.1.
www.norahjones.com