Oldies
„Oldie des Monats“ ist zweifelsohne TAKE ME DOWN TO THE WATER (Psycho 30) des ewig unterbewerteten Jackie Lomax. Um diese LP, die bislang nur als „halbamtliche Privatpressung“ zu haben war, weil das Head-Label wenige Tage vor Veröffentlichung pleite ging, ranken sich diverse Legenden. Eine davon ist, daß ein Sammler namens Baumann für das Original 800,- DM bezahlt hat…, was natürlich sogar für diese Musik zu viel ist. Aber zu den besten Arbeiten des englischen Blues-Rocks gehört das Album schon, nicht zuletzt dank Jackie Lomax‘ unkopierbarer Stimme (6).
Ebenfalls ausgezeichnet ist EGYPTIAN TOMB (Psycho 31) von Mighty Baby. Typisch britischer, songorientierter „Progressiv“-Rock mit Parallelen zu Traffic, Audience oder Caravan. Zwar hat man das schöne Original-Klappcover nicht mitübernommen, sich aber für die Neuauflage etwas einfallen lassen (5).
Psycho-Platten werden von Rimpo importiert.
The Misunderstood legen mit GOLDEN GLASS (Time Stood Still TSS LP 1/Wishbone) in Ergänzung zu BEFORE THE DREAM FADED seltenes Singles- und unveröffentlichtes Material vor. Erweiterter Blues, großartig interpretiert. Der wahre Fan braucht zusätzlich die Maxi GOLDEN GLASS (Time Stood Still Thyme 1) mit zwei weiteren unreleased tracks auf der Rückseite („Shake Your Moneymaker/I’m Not Talkin'“ (beide: 5).
Von der in Seattle beheimateten Band The Daily Flash erschien in den Sixties zwar keine LP, aber das wird mittels Zusammenstellung verstreuten Materials nun nachgeholt. I FLASH DAILY (Psycho 32/Rimpo) bringt abenteuerliche Kreuzfahrten zwischen Acid-Folk-Rock und Jazz (4).
NEW MEXICO PUNK (Eva 12047/Rimpo) ist der Titel eines weiteren vorbildlichen Garagen-Samplers. Das Prinzip der regionalen Ordnung macht sich bezahlt. Faszinierend zu hören, wie die New Mexico-Bands auch stilistisch zwischen Texas und Kalifornien agieren! Die einzige etwas bekannte Band dürfte Lincoln Street Exit sein, deren spätere LP DRIVE IT sogar in Deutschland erschien. (5).
Erinnert sich noch jemand an die winzige Janis lan und ihren 1967er Protest-Hit „Society’s Child“? Ihr erstes Album, schlicht JANIS IAN betitelt (Verve 2485 212/IMS), bringt intelligente Gesellschaftskommentare im angejazzten Folkrock-Gewand, in etwa verwandt mit Joni Mitchell. Für heutige Ohren etwas gewöhnungsbedürftig (3).
In Samt und Seide gebettete schwarze Balladen-Musik war in Europa nie mehrheitsfähig. Hier mochte man immer die kernigen Seelenklänge von Otis Redding, Wilson Pickett oder The Four Tops viel lieber. Folglich wurde die weiche Welle in den siebziger Jahren (Phillysound, Barry White u.a.) als Verwässerung und Entartung gewertet. Daran ist im Einzelfall auch viel wahr, aber es darf nicht alles über den gleichen Kamm geschoren werden.
Vergessen wird oft und gern: Softe Balladen waren schon in den vierziger und fünziger Jahren fester Bestandteil der schwarzen Pop-Musik. Der Phillysound war insoweit ein Zurückgreifen auf bekannte Traditionen.
Schwierigkeiten damit hatten auch nicht die wirklich Betroffenen, die schwarzen Amis, sondern halbinformierte Weiße, die sich schwarze Entertainer eben nur als „schwitzende Neger“ vorstellen können. Ziemlich dumm, diese Haltung.
So, nach so viel (aber, wie ich meine, nötiger) Einleitung zur Praxis: Von den männlichen Vokal-Gruppen Temprees, Mad Lads, und Dramatics liegen jeweils THE BEST OF THE-Kompilationen vor (Stax MPS-8524, Volt MPS 8525 und 8526/alle IMS). Es gibt massenhaft wunderschöne (allerdings auch einige triefend schmalzige) Melodien, ausgefeilten mehrstimmigen Gesang und – teilweise – süperbe Arrangements zu bestaunen.
Der Erfolg oder Mißerfolg einer solchen Gruppe hing in erster Linie von Materialauswahl und Produzentenkönnen ab. In beiden Punkten schneiden die Dramatics am besten ab (4), während die Temprees und Mad Lads sich mit einer (3) begnügen müssen.
Eine schwierige Mini-LP mit vier Stücken ist STARRY RIDE (Psycho 29/Rimpo) von SKY SUNLIGHT SAXON & THE STARS NEW SEEDS BAND. Mit den alten Seeds hat das alles nichts mehr zu tun. Die alt-neu-dauer-psychedelische Musik klingt nicht mal übel, aber Sky Saxon hat’s leider böse im Kopf erwischt. (2).
Gemischte Gefühle auch bei THE CLOVIS SESSIONS VOL. 1 (Charly CR 30236/TIS). Norman Petty produzierte in seinem NorVaJak-Studio in Clovis, New Mexico, zwar Buddy Holly, aber dessen Erfolg verdrängte andere Interpreten bis heute in die zweite bis vorletzte Bekanntheitskiasse. Dieser Sampler und folgende sollen das ändern. Aber es lohnt sich nicht so recht. Massig Rock ’n‘ Roll, Rockabilly usw., aber zu wenig Klasse (knapp: 3). Alexander Dubinski
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