Pil :: Berlin, Tempodrom
Den ganzen Tag über hatte es geregnet und so mußten die Pilger durch Pfützen waten, die auch im Zelt für eine nasse Grundlage sorgten. Am Eingang kontrollierte ein erbarmungsloser Zoll die wenigen Punx, die Jonny noch als Rotten kannten. Sehr zum Bedauern dieser fröhlichen Urzeitgenossen beschlagnahmten die Veranstalter-Beamten ihnen die Äxte, Maschinengewehre, Panzerfäuste und Dosenbiere aus den Plastiktüten.
Dafür durften sich die Ausgezogenen am Merchandising-Stand für eine Handvoll Dollar mit Sweat- und T-Shirts, auch garantiert vom Meister Johnny durchgeschwitzt, wieder anziehen. Während sich die Londoner Vorgruppe Blue In Heaven Mühe gab, die Stimmung vorzuheizen, füllte sich das Zelt trotz Fußballweltmeisterschaft bis an den Rand mit überwiegend schwarzbelederten, aber harmlosen und chic gestylten Cocktail-Pogos. Und als die Blauen zum Schluß das „Wild Thing“ durch ihren Übungskeller coverten.
tauchten sogar ein paar Johnny, du bist für alle da!
Nach einer Led Zeppelin-Overtüre flippte das PILhuhn dann endlich auf die Bühne. Und die Hölle tat sich auf. Wie ein junger Geier, gerade aus dem Ei gepellt, flatterte der Verrückte um das Mikro. Und er ist ein richtiger Musiker geworden, von einer ungeheuer professionellen, genau auf ihn abgestimmten, aber temperamentvollen Begleitband unterstützt.
Es dauerte nur drei Minuten und — pitsch-patsch, pitsch-patsch — sprangen die ersten pasteurisierten Pogos durch die Pfützen, schnappten die ersten Fans nach imaginären Fliegen. Lydon öffnete sein Maul, atmete tief ein und fing an zu schreien. Eineinhalb Stunden lang, ungebrochen schrill, in einer Tonlage, mit der er sicherlich schon seine Großeltern um den Verstand gebracht hat.
PIL — das Album, das Konzert, ein einziges Ding. Denn auf dem Album klingt er so live, wie das Konzert nach Album klingt. Egal. Es war gut so. Es war so gut. Die Band war so gut. Und die Leute bekamen Fieber und dann Pistols‘ „Pretty Vacant“ ins Blut und natürlich „This Is Not A Lovesong“ als erste Zugabe und eine zweite Zugabe „für Berlin“.
Ein Erlebnis, das in vollständiger Taubheit endete. Die Leute schwankten, von Johnny umgepustet und bis ins Mark getroffen, wieder in die Kneipen, um diesen Ton herunterzuschlucken.
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