Pooh’s Corner 1997-2009
Dritter Band mit „Meinungen eines Bären von sehr geringem Verstand“, der kann, was kaum mehr jemand kann: wunderbar erzählen.
Neulich hat mich Harry Rowohlt angerufen. Es ging um ein paar falsche Konjunktive in einem Buch, das er übersetzt hatte, die ich ihm in einer Rezension angekreidet hatte, aber er wollte dann lieber erzählen, wie er, seit er wegen seiner Neuropathie nur noch viermal im Jahr Alkohol trinken darf, bei der ersten solchen Gelegenheit einen Riesenhumpen Whiskey und ordentlich Guinness verzehrt und sich dann beim Türaufsperren den Arm gebrochen hat. Usw. Nach einer guten Stunde brannte mir das Ohr und meine Katze stand kurz vordem Verhungern, also mussre ich den unterhaltsamsten Abend des Jahres vorzeitig abbrechen. Danach habe ich mich gefragt, wieso Rowohlt, der größte deutschsprachige Übersetzer (mindestens lebend), „Lindenstraße“-Penner, „Ambassador Of Irish Whiskey“, Marathonvorleser (d. h. Meister im „Schausaufen mit Betonung“) und „bescheidenste tragende Säule der Welt“ (Wiglaf Droste), immer nur als Übersetzer bepreist wird und nie für das, was er eigentlich am liebsten tut: erzählen. Ach so, weil es so wenig Bücher von ihm gibt? Und das soll keine ehrenswerte Tugend sein in Zeiten fortgeschrittener Dauerbedonncrung mit Bullshitziegeln und Lawinen von „Großromanen“ kleinster Pseudoliteraten, die meist nicht mal ansatzweise Deutsch können, von der Kunst der Sprache ganz abgesehen? Nö, nö, Unfug. Inder kleinen Episode „Ein Staatsempfang auf Schloss Bellevue“ (Seite 142 bis 151 dieser dritten Sammlung von Kolumnen [die leider immer in der dummen „Zeit“ erscheinen] und ein paar Gesprächen), steckt so viel Welt, Witz und Weisheit, dass wir lieber die (und die Michael Sailer anderen) fünfmal lesen als irgendwas sonst.
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