R.E.M. Accelerate


Warner VÖ: 28.03.2008

von

Wer ACCELERATE bejubelt, weil er es in Bezug zum letzten R.E.M.-Album AROUND THE SUN setzt, gerät wahrscheinlich leicht in Verdacht, eine einfache Gleichung aufzustellen: R.E.M.rocken, deshalb sind sie jetzt wieder gut. Dabei hat die seltsame Erhabenheit des 14. Studioalbums von R.E.M. nichts mit Rocken und Nichtrocken zu tun, obwohl es „wieder rockt“. Es hat damit zu tun, dass AROUND THE SUN von 2004 eine öde, weitgehend songfreie Sache gewesen ist – was Michael Stipe selber in neueren Interviews bestätigt, aber von seinen Fans damals in blinder Loyalität heftig bestritten wurde. Und es hat damit zu tun, dass ACCELERATE was die Songs betrifft und die Funktions- tüchtigkeit als Album (Abfolge, Dramaturgie etc.pp.) – die dichteste Arbeit von R.E.M. seit dem ’96er NEW ADVENTURES IN HI-FI ist.Produzent Jacknife Lee hat gute Arbeit geleistet, obwohl seine „Handschrift“ im Gegensatz zum Bloc-Party-Album A WEEKEND IN THE CITY nicht zu erkennen ist. Wahrscheinlich hat er einfach auf den Aufnahmeknopf gedrückt. R.E.M. klingen nicht nur im ersten Song „Living Well’s The Best Revenge“ wie eine kleine, dreckige Garagenband. „Mansized Wreath“ könnte ein Outtake aus DOCUMENT sein. Überhaupt: die Selbstzitate. Wahrscheinlich bleibt es in einer Jahrzehnte umspannenden Karriere nicht aus, sich unbewusst im eigenen Katalog zu bedienen. Musikforscher, die die Muse haben, können jedem neuen Song auf ACCELERATE einen alten zuordnen. Was uns wurscht sein kann, solange das Ergebnis stimmt. ACCELERATE ist R.E.M.-Alternative-Rock- Soundästhetik mit Peter Bucks leicht angezerrter Gitarre plus einer kleinen Folkwurzelbehandlung („Until The Day Is Done“). Das Album hat elf Songs, zehn bessere und einen schlechteren („I’m Gonna DJ“), aber es hat Songs, nicht irgendwelche ätherischen Tonkonstruktionen, die aus den Lautsprechern wabern und sich auf dem halben Weg ins Ohr in Luft aufgelöst haben.


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