R.E.M. – Rio De Janeiro, Rock In Rio-Festival

Brasilien. Samstagnacht, kurz vor zwei, immer noch gut und gerne 25 Grad. Je nach Schätzung zwischen 130.000 und 195.000 gut gelaunte junge Menschen auf einem gigantischen, „Rock City“ getauften Acker eine Autostunde vor Rio de Janeiro. Michael Stipe, Mike Mills, Peter Bück und drei Begleitmusiker klettern für ihr erstes Konzert seit Abschluss der „Up“-Tour vor 20 Monaten in Boston auf die Bühne und sind augenblicklich in bester Spiellaune. Nach der Eröffnung mit „Radio Free Europe“ und „What’s The Frequency Kenneth“fällt dem Frontmann auf: „Vor so vielen Leuten haben wir noch nie gespielt.“ Die Begeisterung über den ersten R.E.M.-Auftritt in Südamerika in der zwanzigjährigen Geschichte der Gruppe ist auf beiden Seiten riesig. Immer wieder streut Stipe, zunächst im roten Pullover, später im Muskelshirt – und dank der brasilianischen Sonne mit gesunder Hautfarbe weit weniger ausgemergelt erscheinend als üblich – kleine Portionen Enthusiasmus ein. „Rio is the sexiest place l’ve ever slept alone“, teilt er der Menge mit. Und: „Ihr miisst wirklich sehr glücklich sein. Seid ihr auch glücklich? Schaut rauf zum Himmel und den Sternen und sagt mir, wie glücklich ihr seid. Danke, Rio, dass wir hier spielen dürfen.“ So geht das über 90 Minuten lang. Stipe, der am Vortag noch vor dem eleganten Hotel „Copacabana Palace“ auf den Gehsteig gekotzt hatte („Sorry Leute, aber es war einfach zu heiß“), wagt gar den gelegentlichen Ausflug ins Publikum. Bei „The One I Love“ holt sich der hüftschwingende Sänger eine ordentliche Portion Körperkontakt von den sexy people ab. Wie nicht anders zu erwarten geben die drei aus Athens an diesem zweiten Abend des Megafestivals (insgesamt kamen in zehn Tagen 1,2 Millionen Besucher um Bands wie Guns N’Roses, Oasis, Papa Roach oder Iron Maiden zu sehen) einen bunten Best Of-Querschnitt aus ihrer Karriere. Mal rocken sie („Stand“,“The Wake Up-Bomb“), mal nicht („Daysleeper“,“Man On The Moon“). Neue Songs? Gab es auch, und zwar derer zwei. Eine langsame, träumerische Ballade namens „She Just WantsToBe“ und das flotte „The Lifting“. Beide Stücke werden auf dem kommenden Album zu finden sein, das Ende Mai erscheinen wird.“Das wird eine Mischung aus ‚Up‘ und unseren früheren Platten“, verrät Mike Mills vorab. „Melodisch und poppig, aber auch sehr experimentell.“ Die neuen Nummern wurden freundlich begrüßt, aber aus sich heraus geht die Menge vor allem bei „Losing My Religion“. Im erzkatholischen, aber zunehmend den Buddhismus entdeckenden Brasilien der Showstopper schlechthin. Hundertausend Hände zum Himmel,“thankyou Brazil“. Keine Experimente bei den Zugaben:“Everybody Hurts“,“Pop Song 89″ und, ganz zum Schluss,“lt’sThe End Of The World As We Know It (And I Feel Fine)“. Viertel nach drei ist es inzwischen geworden, auch die GoGo-Tänzerinnen im „DanceTent“ haben nun Feierabend, und Brasiliens Jugend geht nach Hause.