Radiohead – 7 CD Album Box Set :: Vor dem Regenbogen
Das nennt man positive Rückkopplung. Ohne den Support durch ihre ehemalige Plattenfirma wären Radiohead wahrscheinlich nie so bekannt geworden, um das in RAiNbows-Marketing-Konzept durchziehen zu können. Und jetzt nutzt das alte Label den Rummel um die neue Platte, um mit einem Box-Set seine Rechte am Radiohead-Katalog zu reklamieren und diesen zweitzuverwerten. Was aus betriebswirtschaflticher Sicht vollkommen in Ordnung ist, aber als Statement genau das Gegenteil der Scheinsozialisierung der Radiohead-Musik mittels der in RAiNBOWs-Download-Aktion bedeutet. Denn mehr als „sehr schön“ ist das nüchtern betitelte 7 cd album box set nicht. Die CDs stecken in liebevoll aufgemachten, mehrfach ausklappbaren Digipacks mit den Nachbildungen der aufwändigen Original-Booklets – einen Mehrwert, zum Beispiel in Form von Bonustracks, liefern sie nicht. Die Box richtet sich dann entweder an Menschen, die heute zum ersten Mal von der Existenz dieser Band gehört und beschlossen haben, sofort ihren Gesamtkatalog besitzen zu müssen, natürlich an die Sammler, die alles haben müssen, und an alle anderen, die sich durch ausgelebte Kaufsucht einen kurzzeitigen Kick verschaffen wollen. Was allerdings nacherzählt wird von dieser Box, ist eine der interessantesten künstlerischen Entwicklungen einer Band in der jüngeren Popgeschichte. Da war 1993 das etwas unentschlossene Debüt pablo honey, zwischen U2-Atmosphäre und Alternative-Rock-Nachwehen. Dessen Ehre wurde allein durch den Klassiker „Creep“ aufrechterhalten. Das zweite Album the sends (1995) wirkte wie der Übergang vom Post-Grunge des Debüts hin zu einer Art Art Rock bei gleichzeitiger Auslassung von Mittneunziger Britpop-Klischees. Die erste dramatische Abkopplung vom Zeitgeist und den konkurrierenden Britpop-Bands erfolgte 1997 mit ok Computer, einem enigmatischen, atmosphärischen, cinemascopischen Kunst-Werk von Album, das gleichberechtigt Sounds und Songs („Paranoid Android“, „Karma Police“) nebeneinanderstellte. Drei Jahre später, als kid a veröffentlicht wurde, stellte sich heraus, dass OK Computer lediglich ein Zwischenstadium markierte, kid a war ein Album auf der Höhe der Zeit, weil es sich bei den drei wichtigsten subkulturellen Strömungen/Revivals im England der späten 9oer-Jahre bediente: Der „Intelligent Techno“ des Warp-Labels (Aphex Twin, Autechre et al.), der experimentelle Krautrock (Can, Faust, Neu!) und dessen E-musikalische Vorbilder (Krzysztof Penderecki, Oliver Messiaen) wurden hier zu einer abstrakten elektro-akustischen Kunstmusik zusammengefügt, kid a, dieser „Versuch des kommerziellen Selbstmords“ (Autor Nick Hornby) kam von null auf Platz eins in den amerikanischen Albumcharts. Der Nachfolger amnesiac (2001), häufig fälschlicherweise als „Abfallprodukt“ von kid a bezeichnet, weil die Songs in denselben Sessions entstanden sind, verfeinerte das Konzept und harre die „besseren“ Songs („Pyramid Song“, „I Might Be Wrong“, „Knives Out“). Das im selben Jahr veröffentlichte 1 might be wrong (live recordings) enthielt sieben Songs von kid a und amnesiac plus das bis dahin unveröffentlichte „True Love Waits“ in Liveaufnahmen von der Radiohead-Tournee 2001 durch Europa und die USA. Mit hail to the thief gingen Radiohead im Jahr 2003 dann den Mittelweg zwischen den Experimenten der beiden letzten Alben und dem eher traditionellen Songwriting ihrer beiden ersten Platten. Mit ihrem sechsten Studioalbum hatten Radiohead ihren Vertrag beim EMI-Sublabel Parlophone dann erfüllt, in rainbows, das fehlende Stück in der Entwicklungskette zwischen den Alben OK Computer und kid a, wurde dann im Oktober 2007 zunächst digital und ohne Plattenfirma veröffentlicht. Der „physische“ Release erfolgte am 31. Dezember.
>» www.radiohead.com
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