Recoil – Liquid

Die Impressionen könnten einem sonntäglichen Spaziergang entstammen: „The weather was absolutely perfect on this morning. So you could see everything very clearly.“ Mit diesen Worten beginnt das neue Album Alan Wilders, aber kurze Zeit später hat der Ex-Depeche-Mode-Keyboarder den Hörer in eine Welt voller Panik und Verunsicherung entführt. LIQUID wurde inspiriert von den persönlichen Erfahrungen, die Wilder bei einem Flugzeugunglück machte. Über weite Passagen funktioniert das Album wie ein Hörspiel mit orchestraler Begleitung. Die einzelnen Tracks schildern die Gedanken des Unfallopfers, sie streifen von der Gegenwart in die Vergangenheit. Schnelldurchlauf in Zeitlupe, Imagination in flüssiger Form. Die vokalen Beiträge von Diamanda Galäs, Nicole Blackman, Samantha Coerbell und Rosa Torres (Recoil-Fan aus Barcelona, sie kontaktierte Alan Wilder auf dessen Homepage) konstruieren die unterschiedlichen klaustrophobischen Szenarios auf LIQUID, der Pop ist hier allerdings ganz fern. Gerade die lautmalerische katalanische Prosa von Rosa Torres‘ harmoniert erstaunlich gut mit den elektronischen Bilderwelten Wilders. Und Diamanda Galäs hat selten zuvor ihre Stimm-Spannweite so sehr in den Dienst des Blues gestellt. LIQUID gehört zu den Alben, die man unbedingt über Kopfhörer genießen sollte. VÖ:6.3.