Robbie Williams: Berlin, Velodrom :: Breitwand-Pop
Es ist ja prinzipiell nicht schlecht, wenn man sich auf einem Konzert wie zu Hause im Fernsehsessel fühlt. So richtig toll ist es aber auch nicht, sozusagen vor dem „Hauptfilm“ Werbung serviert zu bekommen: Über eine eigens zu diesem Zweck aufgehängte Leinwand brechen Werbespots über die ausverkaufte Halle herein, als wären wir bei RTL und nicht bei Robbie Williams. Aber womöglich ist’s ja genau die richtige Einstimmung für das, was da noch kommen soll: Pop. Pop ist Porno. Porno ist grell, exhibitionistisch, verlogen, direkt, abgeschmackt, ohne Umwege und ohne Aufwand. Robbie Williams weiß das. Robbie Williams weiß alles, denn er ist Pop. Gleichzeitig ist er Porno. Er muss es uns besorgen. Schwerer Job. Und weil ein langes Vorspiel die halbe Miete ist, wird Robbie auch per Lautsprecher angekündigt: „Achtung Achtung, dies ist eine wichtige Durchsage: Robbie Williams wird in fünf Minuten die Bühne betreten“. Und nach fünf Minuten: „Robbie Williams verlangt für seinen heutigen Auftritt ab-so-lu-te Ruhe!“- eine sehr britische, sympathische Mischung aus Ironie und Größenwahn, zugeschnitten aufs Publikum. Für eine ausverkaufte Halle nämlich sorgen Mädchen, Mädchen mit Zahnspangen, Mädchen mit Krähenfüßen, Mädchen mit Freundin, Mädchen mit Freund, Gruppen von Mädchen und Jungs, die nach den Mädchen schielen. Abseits stehen auch ein paar männliche Pärchen – eine Zielgruppe, die Williams mit seinem kürzlichen Outing mühelos gewinnen konnte.
Und dann kommt Robbie, flaniert mit weiten Schritten über die Bühne, singt „Let Me Entertain You“. Mit sauberem Scheitel und schwarzem Anzug präsentiert er sich als Schwiegermutterliebling. Mit Hang zur Schwiegermutterlieblingsmusik: Die überraschend vielköpfige Band um Songwriter Guy Chambers – der sich die meiste Zeit hinter seinem Keyboard versteckt und aussieht wie Gerry Rafferty anno 1975 – spielt tapfer, aber recht keimfrei Hit um Hit herunter, von „Millenium“ bis „A Love Supreme“. Dazu kratzt sich Robbie nicht nur routiniert das Gemächt, sondern fragt auch noch auf Deutsch: „Alles fit im Schritt?“. Das mag süß sein, neu ist es nicht. Neu ist nur ein Publikum, das sich von seinem Robbie gerne die ollen Kamellen aufwärmen lässt. Dass er dies mit dem Charme eines Lausbuben tut, der die Kirschen aus Nachbars Garten in den Backentaschen bunkert, macht die Sache unterhaltsam. Aber eben auch berechenbar. Einen schalen Nachgeschmack hinterlässt auch das obligatorische Duett mit Kylie Minogue: Die kleine Sängerin flirtet von der Leinwand herab mit Robbie, ihre Stimme kommt gnadenlos vom Band. Bevor aber augenfällig wird, dass ein 27-Jähriger in patentierter Tom-Jones-Pose auch früh vergreisen kann, da ist’s auch schon wieder vorbei. Nicht mal ausgezogen hat er sich. Coitus interruptus. Der Schriftsteller Peter Handke hat dieses Phänomen einmal gut beschrieben: „Onanie abgebrochen – mir kam die Sehnsucht dazwischen.“ www.robbiewilliams.com
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