Rock-Spezial
Boogie-Exzesse aut dem Waschbrett, sanfte Country-Folk-Eskapaden mit einer akustisch trainierten Gitarre und leicht-schwingende Neo-Pop-Töne entspringen IMPLODING (Waterfront Records). dem bisher einzigen Album der australischen Formation The Lighthouse Keepers. Das Songmaterial stammt aus den Jahren 1983— 1986 und präsentiert u.a. auch die erste Single „Gargoyle“. die mit ihrem minimalistischen Folk-Rock an die frühen Aufnahmen der Go-Betweens erinnert. Charmant! (5) Sehr nach den 60er Jahren riecht das letzte Werk der amerikanischen Psycho-Rock-Combo Plan 9: Ein dichter Multi-Gitarrensound schwängert in Begleitung der rhythmisch-gespielten E-Orgel den Boogie-Woogie-Sound. den Plan 9 auf ANYTIME ANYPLACE ANYWHERE (Pink Dust/Enigma) würdevoll ausbreiten. Da kann man sowohl den Hard-Rock-Schimmer früher Deep Purple-Kompositionen heraushören als auch den elektrifizierten Boogie-Jam-Blues der legendären Iron Butterfly. (5) Noch mehr brodelnde/bewährte Vergangenheit läßt sich aus MOON-HEAD (Zippo/TIS) heraushören, dem neuesten Album von Thin White Rope aus dem kalifornischen Sonnenland. Schleifende E-Gitarrcn und ein tief-krächzender’gequälter Blues-Gesang formieren sich hier zusammen mit einem bodenständigen, treibenden Backing-Track zum kompakten West-Coast-Rock-Sound. der aufgrund seiner bluesigen Passagen Gedanken an John Kay und seine Steppenwolf-Gang hervorruft. (4) Wenn man Träumen zwischen nacktem Asphalt und warmen Imbiß-Stuben um Mitternacht hinterherjagt, dann sollten die infernalischen City-Balladen der Fallen Angels zum Programm gehören. Die Gruppe, deren Sänger Gitarrist Knox (Ex-Vibrators) so schön relaxed im Gesang näselt wie ein zufriedener Lou Reed. intoniert auf IN LOV1NG MEMORY (Jungle Recs./EfA) einen super-herben Rock ’n‘ Roll, der sich zwischen Lou Reeds THE BELLS und dem letzten Velvet-Underground-Studio-Werk LOADED frei entfaltet. Schön und inspirierend. (5) Bekannt geworden sind sie mit ihrer brutal-anarchistischen Zerlegung des Prince-Hits „Kiss“: The Age Of Chance aus Sheffield nahmen sich diesen Soul-Disco-Knüller und verwandelten ihn in einen bedrohlichen Endzeit-Alptraum. dessen Grundrhythmen wie ein durchdrehender Schlag-Hammer rotieren. Jetzt haben sie ihr erstes Mini-Album CRUSH COLLI-SION (Virgin) veröffentlicht, auf dem sie ihre feuerspuckende Fusion-Musik aus Hip-Hop-Tönen und Heavy-Metal-Sound gekonnt fortsetzen. Beim Hören dieser wilden Stakkato-Zerr-Sinfonien fühle ich mich erinnert an das unvergessene KICK OUT THE JAMS der Detroiter Motor City Five (MC5). Age Of Chance jedenfalls versetzen mit ihrer rüden Noise-Explosion jede Disco in Flammen. (5) Das LP-Debüt der Hidden Charms aus Schweden kommt mit einem ruhelosen Surf-Beat daher, der seine Wellen von New : York bis London schlägt; sie klingen mit Gitarre. Baß und Drums wie eine glückliche Mischung aus Ramones-Rhythmen und Ray-Davies/Kinks-Gesang. Die Krönung von HISTORY (Volume/EfA) ist eine bombastische Pop-Version des Ramones-Wellenreiters „I Just Want To Have SomethingTo Do“! (5) Das britische Label Kitchenware Records hat der Popwelt bisher so schillernde Gruppen wie Prefab Sprout und Martin Stephenson & The Daintees beschert. Mit der Formation Hurrah! ist ihnen ein weiterer Coup D’Esprit gelungen: Auf TELL GOD I’M HERE (Arista/Ariola) erklingen frisch-freche Neo-Pop-Beat-Töne, die in ihrer Vielfältigkeit und unkonventionellen Lebendigkeit überzeugen. Musik, die jedem Go-Betweens-Fan gefallen sollte! (4) Aus Atlanta/Georgia kommt das Quartett LMNOP, das auf seinem Album ELEMEN OPEE ELPEE (New Rose/SPV) den polyrhythmischen Popbeat beschwört. Mal spielen sie so frenetisch schnell wie die frühen Buzzcocks oder die unvergessenen Diekies. oder aber sie lassen ihren Instrumenten so lebhaft freien Lauf, als hätten sie gerade die Beat-Musik entdeckt: unbelastet, frech und hyper-modern!(5) MUSICK WITHOUT TEARS (New Rose/SPV) nennen die psychedelischen Rhythm & Blues-Rocker The Fortune Tellers ihr fiebriges Country-Blues-Album. das hitzigen Rhythm & Blues vom besten bietet! Schmutzige Gitarren fließen mit Sturm & Drang daher, ohne durch irgendwelche Solo-Allüren zu langweilen. Dies ist Musik, die zwischen Johnny Winter und Steve Ray Vaughan ihr Unwesen treibt. (5) Rhythm & Blues-Aufnahmen aus den Jahren 1983—1985 dokumentiert das aleichnamme Album von Evan Johns & The H-Bombs (Zippo/TIS). Die Band kommt aus Austin/Texas und formiert sich um den Multi-Instrumentalisten Evan Johns, der sich vor allem durch sein quirliges Vox-Orgel-Spiel (á la Question Mark & The Mysterians) stilvoll qualifiziert. Country-Hillbilly. der sich teilweise mit einem leichten Rockabilly-Soul-Einschlag zeitlos ins Bild setzt! (4) Der Kanadier Roy Felden ist die spirituelle Zentralfigur der Londoner Band The Bambi Slam, die sich auf ihrer EP BAMP-BAMP (Recordvox/EfA) mit sanften Cello-Passagen und ruppigen Gitarrenklängen produziert. Sie senden einen harten Wall-Of-Sound aus, der bedrohlich und schleifenartig seine Kreise zieht; dazu gibt es einen Gesang, der sich radikal in die Harmonien des „Pretty Vacant“ von Johnny Rotten/Sex Pistols anno 1976 stürzt. Schön und gleichzeitig nervenzerrend: (5) Die Belgier Front 242, die als zischende Electro-Künstler mit spannenden Industrial-Sound-Collagen begannen und ihren Höhepunkt mit der Maxi „No Shuffle““Politics Of Pressure“ erreichten, sehen sich auf ihrem Album OFF1CIAL VERSION (Animalized/SPV) relativ friedlich und versöhnlich. Da verschmelzen monotone Elektronik-Dauerrhythmer, mit melodiösen/sprudelnden Disco-Wellen, die hier und da sanft unterbrochen werden durch rhythmische Sprach-Einblendungen. Klangen Front 242 früher wie Clock DVA oder Cabaret Voltaire, so gleiten sie heute zart & poppig an der Sonnenseite von Depeche Mode und Yello(3) Ganz weit entfernt, in den kolorierten Ecken eines zuckersüßen Psycho-Candy-Traums. ertönen die Zeitlupenhaften Fuzz-Gitarren der New Yorker Crash: Ihr mehrdimensionaler Sound hat seine Quellen bei den elektrischzerrenden Velvet Underground, aber auch bei Jesus and The Mary Chain. Bombastisch, intelligent und subversiv zugleich. Die LP I FEEL FINE (Rough Trade) ist schlicht und einfach grandios. (6) Der einstige R.E.M.-Pnxluzent Mitch Easter geht seit längerer Zeit eigene Wege: Nachdem er zusammen mit dem Gitarristen & Keyboarder Tim Lee die illustre Folk-Inkarnation Let’s Active betrieben hat. widmete er sich — wieder mit Mr. Lee — der rokkigen West-Coast-Band The Windbreakers: auf RUN (Zippo/TIS) erklingen psychedelische Beat-Scings. die eigenwillig und fremdartig sind. Sie verbinden gekonnt die harmonischen Folk-Parts der Byrds mit den trashigen Punk-Passagen der Seeds. (5) Schwere Gitarren, schwarze Visionen und ein urbaner Surf-Beat tropfen aus den schwarzen Rillen von SKAG HEAVEN (Homestead/EfA). dem zweiten Kamikaze-Produkt der Amerikaner Squirrel Bait. Hier regiert der Wahnsinn, hier herrscht der pure, überdrehte Speed-Rock! Natürlich erinnert man sich da an die frühen Hüsker Du. und natürlich lassen sich da verbindende Vergleiche im hämmernden Gitarrensound zu den bereits erwähnten MC5 ziehen — dennoch klingen die Squirrel Bait ungemein aktuell und wahnsinnig faszinierend. (5) Mehr Noise. mehr Wahnsinn, mehr Atonalität und noch mehr Gitarren-Kollision hat das bizarre Album PHANTOM TOLLBOOTH (Homestead/EfA) der gleichnamigen New Yorker Noise-Band. Sie treiben den morastigen Mega-Metal-Boogie auf seinen absoluten Siedepunkt. Phantom Tollbooth kochen über mit Krach und Melodie! (5) Der Phantom . Tollbooth-Bassist David Rick spielte zuvor bei einer Gruppe, die sich Yo La Tengo nennt und nun mit R1DE THE TIGER (Coyote Twin-Tone Records) ihr erstes Album vorlegt. Hier dominieren verhaltene Gitarrenklänge, die an frühe Aufnahmen von Tom Verlaine und seinen Television erinnern, vielleicht auch an True West. Sehr entspannt und aufreibend zugleich. (4) Zurück zum Ursprung: Die legendären Blues-Rock-Figuren Tav Faleo’s Panther Bums und Willie Alexander wühlen mit THE WORLD WE KNOW bzw. TAP DANCING ON MY PIANO (beide New Rose/SPV) in vergangenen Zeiten herum, ohne dabei aber ermüdendem Stumpfsinn zu verfallen. Ganz im Gegenteil: Wir bekommen frischen Boogie-Rock ’n‘ Roll, der einmal mehr junge Beton-Wände zum Einstürzen bringt. Beide: (5)
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