Rock-Spezialitäten
Der Plattenfirma des Sängers und Songwriters Julian Cope (Ex-Teardrop Explodes) kann man nur noch kopfschüttelnd entgegentreten. Schon sein erstes Album blieb dem deutschen Publikum vorenthalten, da seine Firma der Meinung war, die Importdienste würden die Nachfrage nach dem vermeintlichen Kult-Artisten schon abdecken können.
Copes zweites Album FRIED bleibt nun ebenfalls schwer erhältlich, obwohl man zu Songs wie „The Bloody Assizes“ oder „Sunspots“ kaum stillstehen kann. Vielleicht sind die Herren in den Chefetagen vom Cover abgeschreckt worden, das Julian Cope nackt unter einem Schildkrötenpanzer im Gras kauernd zeigt. Für Julian und gegen die schnarchende Phonogramm: eine (6).
Wer Julian Copes ausgeklügelte Musik mag. sollte auch bei den Triffids ein Ohr riskieren: Die neue Mini-LP RAINING PLEASURE klingt glasklar, kühl und winterlich, ganz anders als der hochgelobte Erstling TREELESS PLAIN. Zitate aus Kinderliedern („Ballad Of Jack Frost“) treffen auf fein arrangierte Blues-Melancholie („St. James Infermary“); der unterkühlte Drive der fünf Australier kommt dabei nie zum Stehen (Rough Trade Vertr., 5).
Das Londoner Compact-Label gilt unter Kennern weißer Popmusik noch immer als die Adresse für erlesene musikalische Spezialitäten und, kaum weniger wichtig, einfallsreiches und geschmackvolles Design der Produkte. Darunter fällt die (einstige) Bienenkorb-Frisur der Mari Wilson genauso wie das kühle blonde Haar der Virna („Attention Stockholm“) Lindt. Die Nachfolge der von Pop-Spezialisten als Meisterwerk angesehenen Box A YOUNG PERSON’S GUIDE TO COMPACT (1981 erschienen, heutiger Sammlerwert ca. 100,- Mark) kommt nach langer Funkstille nun als Doppelalbum. DO THEY MEAN US? fragt ein graues unscheinbares Low-Budget-Cover. Die musikalische Palette ist farbenprächtig genug, dazu ein schönes Poster mit allen Texten, Fragebogen und Merchandising-Angeboten.
Besseres Design erhielt die TEACH YOURSELF COMPACT Singles-Box. Dafür sind die acht Singles einzeln bereits seit Jahren auf dem Markt. Direktkontakt: Compact, 31 Riding House St.. London W1P 7PG, England. Alles (4).
Spannend gezügelten Hexen-Jazz (unwillkürlich fällt mir Julie Driscoll ein) verbirgt ein von wüsten Kreidestrichen verunziertes Cover, in dessen Farbgewirr erst beim zweiten Hinsehen klar wird, daß die Band Bone Orchard und die LP JACK heißt. Den Titelsong halte ich für genial, und Sängerin Chrissy McGee ist eine echte Entdeckung. Da vergeßt ihr auch Lydia Lunch (Efa Vertr., 5).
Früher lehrte der Schweizer Schlagzeuger der Swans seinen Schülern brasilianische Samba-Rhythmen. Heute spielt er den brutalsten Prügel in der brutalsten Band der westlichen Hemisphäre. Die vier New Yorker zelebrieren Bilder des Grauens; ins Endlose zerdehnt geben ihre Riffs dem Begriff Wall of Sound einen gänzlich neuen Sinn, Die LP COP ist der Soundtrack aus der Folterkammer, gleichzeitig der blinde und gequälte Aufschrei gegen den Terror in der Diktatur. Haß, Horror, wieder Haß. Eine wirklich anstrengende, konsequente Platte (Some Bizarre/Rough Trade, 5).
Danach muß sofort eine Party-Platte her, die dich mit Macht aus dem Sumpf zieht. Die schwedischen Nomads sind mit ihrer LP OUTBURST genau das Richtige. Auf dieser englischen Compilation sind alle guten Stücke ihrer zahlreichen EPs und Minis enthalten, d. h. knapp 40 Minuten bester Party-Rock auf 60s-Basis, ein Schuß Punk, eine Prise Psych plus ein Spritzer Hardrock. Im Programm: „Bangkok“ (Chilton), „I’m Not Like Everybody Else“ (Kinks), „Good Guys Don’t Wear White“. (Rougri Trade Vertr., 5).
Eigentlich nur für den US-Markt bestimmt ist die Robert Wyatt-LP 1982-1984, die Tracks seiner letzten beiden Maxis zusammenfaßt. Sehr gut die Cover-Malerei von Alfreda Benge, die Fidel Castro mit falscher Nase zeigt (Rough Trade USA, 5).
Musical Chairs heißt eine Gemeinschaftsproduktion der New Yorkerin Jill McElmurry, Dave Fontana und dem Hamburger Christoph Willumeit. Die vier Songs ihrer EP sind guter Synthi-Pop und hätten mehr verdient, als unter den zahllosen nichtssagenden Produktionen des deutschen Nachwuchses unterzugehen. (Efa-Vertr., 4), Diesen Untergang wünsche ich allen Bands des BERLIN VISIONS-Samplers. Für Amateure habe ich viel übrig, nicht aber für das nach ewigem Üben endlich perfekte Nachdaddeln überholter Vorbilder (Virgin, 1).
Gute und feurige Amateure sind z. B. P.O.X. (Psychobilly Orchestra X) aus Hannover. Die erste 5-Track-Maxi kommt gerade raus und klingt wirklich verschärft, wobei auch eigene Ideen nicht zu kurz kommen. Die Band selbst nennt’s Brain-billy. Die Platte gibt’s bei Wahnsinn, Lange Reihe 113,2 Hamburg 1.(4).
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