Rock-Spezialitäten

„The Jazz Butcher – meets the Prime Minister“: Kaum ein Ort in der EG, wo Butch und seine Freunde noch nicht aufgespielt haben – am liebsten vor ausgesuchtem Publikum in entsprechend kleinen Clubs. Doch die Schlange am Eingang verrät, daß die Zeiten vorbei sind, in denen der Name The Jazz Butcher nur wenigen Szene-Kennern ein Begriff war und LPs in geringen Stückzahlen über den Kanal importiert wurden.

Heute ist seine Erfolgs-LP A SCANDAL IN BOHEMIA als deutsche Pressung erhältlich (SPV-Vertrieb), das lange vergriffene Erstlingswerk THE JAZZ BUTCHER IN BATH OF BACON wieder als Import lieferbar und die neue Mini-LP SEX & TRAVEL bereit für die Veröffentlichung zum Ende Mai.

Butchers unverfrorene Art, Rock- und Pop-Stile mit Distanz und Witz zu würzen und zu Entertainment umzufunktionieren, stößt bei Puristen auf Ablehnung, doch schafft es die Band leicht, diese Einwände mittels Mengen von Alkohol und bester Laune ad absurdum zu führen. Der Song mit der Premierministerin stammt übrigens von der Maxi „Real Men“ und ist auch auf dem Single-Sampler THE GIFT OF MUSIC vertreten. Massig Vinyl für einen Newcomer. Alles: (5) Bis vor wenigen Monaten zupfte noch Ex-Bauhaus-Bleichgesicht David J den Baß beim Butcher, doch ließen Solo-Projekte ihm keine Zeit mehr für Club-Tourneen: Zur Zeit steckt David mit seinen ehemaligen Bauhaus-Genossen Daniel Ash und Kevin Haskins (Tones On Tail) im Studio, um für das Projekt Love & Rockets kommerzielle Tracks einzuspielen.

Das jüngst erschienene Solo-Album CROCODILE TEARS & THE VELVET COSH zeigt David J als sensiblen Songwriter mit Mut zum Realismus und altmodischen, wortreichen Texten. Musik für dunstige Tage ohne Verpflichtungen. (4) Die Zauberformel Ga-Ra-Ge hat diesseits wie jenseits des Atlantik Unmengen junger Bands zusammengebracht, die mittels gebrauchter Instrumente und ruppiger Arrangements ihren eigenen Haus-Pop produzieren: eine Art Punk-Virus ohne Revolte, dafür mit nach innen gedrehter psychedelischer Wirkung.

Leider muß gesagt werden, daß eine Aufnahme von 1966/67 viele dieser Bemühungen um Psycho-Garagen-Credibility in den Schatten stellt: was The 13th Floor Elevators vor fast 20 Jahren in Texas an Psychedelia durch den Äther jagten, belegt das größtenteils aus TV-Mitschnitten zusammengesetzte Album FIRE IN MY BONES. Dank der guten Klangqualität ein Beweis für die unvergleichliche Spieltechnik des Quintetts (US-Import) (6).

The Fuzztones (New York) haben die hervorragende Live-LP LEAVE YOUR MIND AT HOME veröffentlicht, können den Standard auf LYSERGIC EMANATIONS aber nicht halten. Zu brav klingen hier die 60er-Harmonien. bei Fuzz (Gitarre) und Snarl (Gesang) fehlt jegliche Schärfe. (UK-Import)(3) Schärfer, besser und variabler im Programm klingen die Gravedigger V aus San Diego, die von Altmeister Greg Shaw produziert wurden. Die LP ALL BLACK & HAIRY besticht durch die gelungene Mischung von Eigenkompositionen und exzellent ausgewählten Cover-Versionen (Voxx. US-Import) (4) Neue australische Garagenbands bieten der Sampler GYRATIONS ACROSS THE NATIONS auf dem eigens für diesen Sound gegründeten Hybnd-Label (UK), darunter die schon etwas bekannteren Lime Spiders (ihre gesammelten Single-Tracks sind auf der Hybrid-Mini-LP SLAVE GIRL erhältlich) und The Beasts Of Bourbon, deren Swamp- und Country-Mystizismus von zwei Mitgliedern der Scientists getragen wird. Ihre LP THE AXEMAN’S JAZZ bringt düstere Balladen und akkurate Versionen von „Psycho“ und CCR’s „Graveyard Tram“. Alle: (4) Altmeister Kim Fowley, immer für eine Überraschung gut, setzt zur Zeit des Gitarren-Revivals auf gebrochene, oft synthi-lastige Arrangements, zu denen er auf seine unvergleichliche Art kleine, böse, absurde Geschichten erzählt. BAD NEWS FROM THE UNDERWORLD ist aufgeteilt in eine alkoholische und eine psychedelische Seite. Bei Verwechslung drohen irreparable Folgen (New Rose, Frankreich-Import) (4) Danielle Dax gehört zu den schillerndsten Figuren der britischen Kunsthochschulen-Musik. Ihr Mitwirken bei der experimentellen Band Lemon Kittens sowie der Kurzauftritt im Film DIE ZEIT DER WÖLFE haben die einstige Performance-Künstlerin (nackt unter Körperfarbe) zu einem Geheimtip werden lassen.

Die skurrilen Songs auf ihrer LP JESUS EGG THAT WEPT wurden bei den wenigen Deutschland-Auftritten von Gitarre, Baß und Schlagzeug umgesetzt und ernteten stürmischen Beifall. Was auf der Bühne entfernt an Toyah erinnert, klingt auf Platte minimal und eigenwillig. Nach ihrem Import-Hit ist nun auch ihre erste, sprödere LP POP-EYES wieder erhältlich (Rough Trade Vertr.) (4) Auf der neuen LP von David Thomas & The Pedestrians stellen sich erstmals Ermüdungserscheinungen ein. Zwar ist die Instrumentierung (Lindsay Cooper/ Blasinstrumente, Tasten. Chris Cutler/Drums, Tony Maimone/Baß) von klassisch anmutender Schönheit und Genauigkeit, doch wirkt das Konzept überspielt und spannungslos. Thomas‘ Texte sind gut lesenswert, der Rest der Platte ist für ewige Henry Cow-Fans (Rough Trade) (2) Auch Blurt ist auf der neuen LP FRIDAY THE 12TH nicht viel Neues eingefallen. Ted Milton (Sax/Vocals) ist ein lustiger Performer, doch ist Live-LP nicht gleich Konzert. Mittlerweile tritt die Band allerdings ohne Gitarre, dafür mit Keyboards auf (EfA-Vertr.) (3) Die irischen Virgin Prunes sind schon fast Legende: Nach jahrelangem Schweigen kommt jetzt eine LP mit Outtakes von 81-83. teilweise witzige Songideen, teilweise amusikalische Geräusche. Sänger Gavin Friday schrieb die sehr informativen Begleittexte zu OVER THE RAINBOW (New Rose, F-Import) (4) Ein ehemaliges VP-Mitglied ist heute als Princess Tiny Meat aktiv: Ein schweres, kreisendes Synthi-Motw bestimmt die Maxi „Sloblands“ – kein Tanz-Thema, eher eine Sound-Erfahrung (Rough Trade) (4) Noch ein paar Maxis: Schon lange überfällig war eine Neuauflage von Alex Harvey’s Discotheken-Klassiker „Faith Healer“, dessen sich nun die Gruppe Power To Dream mit Sequenzer-beat und Heavy-Guitar angenommen hat (Illuminated) (3) Neu von den geliebten Bangles ist die 5-Track-Maxi „Going Down To Liverpool“: drei neue Songs und das gelungene Cover machen die Scheibe zum Muß für den Fan (CBS) (5) Unbedingt reinhören sollte man in die neue LP von Philip Boa & The Voodoo Club: Dort sind soviele Ideen versammelt wie auf keiner inländischen LP der letzten Monate. Was beim ersten Hören ungeordnet und unerhört klingen mag, wird mit der Zeit zu einer süchtig machenden Klangwelt ohne erkennbare Konventionen, wobei auch die beteiligten Kammermusiker nicht ausgenommen sind. Mit einfachsten Mitteln neuartige und angenehm hörbare Musik komponieren, ist die Stärke von Phil Boa & Co. Und dann wäre da noch die unglaubliche Pia Lund… (EFA-Vertneb) (5)