Rock-Spezialitäten

Das Single-Format hat zur Zeit gegenüber dem großen Bruder Maxi viel Boden verloren, deshalb zu Anfang der Hinweis auf drei beachtliche Leistungen in „dieser Disziplin. „Japaner in Düsseldorf‘ heißt der neueste Streich der Family Five (Das Büro). Es ist das bisher beste, weil härteste. Xao Seffcheque, Peter Hein und Mitstreiter verwalten souverän und intelligent das Erbe des Punk. Weniger gelungen die Rückseite; dort ruhen sie sich beim altbekannten „Muffgruff“ aus. (5)

Tina Marisa Calcagno und Thomas Stelter sind das Hamburger Duo Ti-Tho. Sie beweisen, daß deutsche Popmusik nicht zwischen verkrampfter Cleverness und banalem Schlagertum taumeln muß. „Elefantenjäger“ ist aus dem Stoff, aus dem Hits sind (Teldec). Toller Gesang, tolle Keyboards. Irgendwann singt Ti: „Oh, ich bebe, oh, ich schwebe, und es hängt alles schief.“ Bei mir auch. (4)

Die fröhliche Fraktion des Berliner Untergrundes stellte sich unlängst auf einem „Stimmungs“-Sampler vor. Die drei Beiträge der Arzte gehörten darauf zu den Höhepunkten. Jetzt gibt es von ihnen auf der EP ZU SCHÖN UM WAHR ZU SEIN vier neue Stücke mit Pop/Punk/Rockabilly-Elementen (Schnick-Schnack) Dann besingen sie so unterschiedliche Liebesobjekte wie „Teddybär“ und „Grace Kelly“. Sänger Farm Urlaub träumt offensichtlich davon, die Band zu den deutschen Undertones zu machen. Ich sehe keine Konkurrenz. (5)

Als KFC-Sänger war Tommy Stumpf ein Punkrock-Star. Nach dem Ende der Band veröffentlichte er eine überflüssige LP; man meinte ihn bereits vergessen zu können. Doch nun meldet er sich mit einer Maxi nachdrücklich zu Gehör (Giftplatten). Auf der Grundlage aggressiver Elektronik rechnet er ab: in „Contergan Punk“ mit dem Siechtum der Bewegung und in „Mich kriegt ihr nicht“ mit seinen Kritikern:

„Denkt und schreibt das, was ihr wollt. „Wird gemacht: sehr gute Platte. (5) Die Clash lassen schon lange auf ein neues Produkt warten. Für „The Escapades of Futura 2000“ liefern sie den sparsamen und soliden Instrumental-Hintergrund (Celluloid). Dazu rappt Futura 2000, Graffiti-Artist aus New York, seine Geschichte. Bekanntester Mann im Hintergrund: Fab5Freddy. (4)

Die Lords Of The New Chuich gehören zu den Bands, die in den Achtzigern den Begriff „Rock“ mit Leben füllen. „Live for Today“ überzeugt durch eine gute Melodie und deren gekonnt lässige Umsetzung (I.R.S.). Und das, obwohl Weichspüler Todd Rundgren produziert hat. Stiv Bators, ehemaliger Dead Boy, hat seine optimale Band hinter sich. Der New York City-Rotz seiner Stimme beeindruckt vor allem in „Dreams and Desires“, dem dritten Stück dieser Maxi.(5)

THE DAYS OF WINE AND ROSES von The Dream Syndicate erschien bereits 1982 bei Slash Records in Los Angeles. Von Rough Trade wurde die LP jetzt glücklicherweise für den europäischen Markt entdeckt. Das Spannungsfeld, m dem sich die vier Kalifomier bewegen, wird in den ersten beiden Stücken abgesteckt. „Tell Me When It’s Over“ klingt nach Velvet Underground, zumal Steve Wynn wie der junge Reed singt. „Definitely Clean“ hätte auch auf der ersten Gun Club-LP Platz finden können. (5)

Amerikanisch klingen auch die Jazzateen (Rough Trade). Sie kommen allerdings aus Schottland, das in den letzten Jahren einige bemerkenswerte Gitarrenbands hervorgebracht hat. Der Umgang der Jazzateers mit diesem Instrument ist eine Wohltat, angesichts der momentan in Großbritannien grassierenden Oberflächlichkeit. Wer sich die Platte zulegt, besitzt das komplette LP-Werk der Band, denn sie hat sich schon wieder aufgelöst. (3)

Was macht man, wenn die letzte Cramps-LP schon zwei Jahre alt ist? Man tröstet sich mit dem Sampler OFF THE BONE (Illegal). Zusätzliche Freude bereitet das Betrachten des Covers durch eine 3D-Brille. Auf der Platte findet sich Material der beiden LPs sowie der schwer erhältlichen EP, darunter die endgültige Version des alten „Surfin‘ Bird“. Bester Trash-Sound. (4)

Ein weiterer Sampler setzt den Schlußpunkt hinter die Geschichte einer Band. BLADES IN YOUR MASQUERADE ist die letzte Platte der 39 Clocks aus Hannover (Flicknife). Eine Konsequenz daraus, daß ihre Verbeugung vor der Psychedelic der Sechziger jahrelang nur auf wenig Gegenliebe stieß. Ursprünglich war der Sampler als Auftakt zu einer englischen Karriere, gedacht, jetzt ist ei ein Nachruf. (3)

Zum Abschluß noch eine Warnung. NEVER MIND THE BOLLOCKS 1983 liegt gut im Rennen um das Prädikat „Schrott des Jahres“ (Charly). Jock McDonald hat die Bollock Brothers für eine Wiederauflage der ersten Sex Pistols-LP bemüht. Auch „God Save The Queen“ und „Pretty Vacant“ retten nichts. Auf ihnen singt Michael Fagan, der Mann, der durch Ausflüge in das Schlafzimmer der Königin von sich reden machte. (1)