Rolling Stones – Bridges To Bablyon

Die Stones und die Dust Brothers? Mick schmust mit Babyface? Keith meets Drum ’n‘ Bass? R & B plus Prodigy? Geradezu abenteuerliche Spekulationen geisterten im Vorfeld der Veröffentlichung von BRIDGES TO BABYLON durch die Presse. Gemach, Freunde, es ist nur ein Stones-Album – aber was für eines! Gleich mit dem Opener „Flip The Switch“ zeigen sich die zornigen alten Männer von ihrer wüstesten Seite. Charlie poltert in wahnwitzigem Tempo los, Keith und Ronnie schlagen sich mit messerscharfen Gitarren einen Pfad durchs Unterholz, und Jagger geifert dazu wie in seinen besten Tagen. Unwillkürlich duckt man sich unter dem scharfen Rock ’n‘ Roll-Sperrfeuer. Nach drei Minuten sind alle Erinnerungen an die eindimensionale Retro-Nabelschau von VOODOO LOUNGE und das, zugegeben, liebevolle STRIPPED-Geschenk von 1995 wie weggewischt. Die „Greatest Rock ’n‘ Roll Band On Earth“ ist unüberhörbar in den 90ern gelandet – und schon auf dem Sprung ins nächste Jahrtausend. Denn mit modischem Drum ’n‘ Bass-Kram und computergesteuerten Loops halten sich die Herren nicht unnötig auf. Dergleichen bekommt den ihm zustehenden Platz zugewiesen – als attraktive Farbtupfer im dichten Klanggestrüpp. BABYLON kommt tief aus dem Bauch, nicht aus irgendeiner Designerwerkstatt. Das alte Rockmonster klingt wieder rauh und kantig, es schwitzt, stinkt und spukt. Lange klangen die Stones nicht mehr so enthusiastisch, lange nicht gelangen ihnen so ergreifenden Balladen wie „Already Over Me“ oder „Always Suffering“, und lange nicht wirkten sie so zeitgemäß. Nicht zeitgeistig, wohlgemerkt. Einige Songs haben gar das Zeug zum Klassiker. Etwa die Single, „Anybody Seen My Baby“, oder das dynamische „Saint Of Me“. Dickes Lob auch für Jagger: Wo andere nur gröhlen oder manieriert die Stimmbänder verbiegen, phrasiert Mick mit souveräner Meisterschaft. Und dabei klingt der 54jährige erstaunlich jugendlich. Heiß wird’s zudem, wenn er seine kochenden Harp-Licks ins Menü raspelt. Nichts klingt da müde, nichts selbstgefällig oder satt. Sogar Sangeskünstler Richards schlägt sich wacker. Mal mit fröhlichem Reggae („You Don’t HaveTo Mean It“), mal mit einer seiner fragilen Morgens-um-fünf-wenn-ichendlich-allein-im-Studio-bin-Balladen („How Can I Stop“). Ob BABYLON dauerhaft einen vorderen Platz im Stones-Katalog erobern kann, sei mal dahingestellt. Für den Moment jedoch gilt: meisterlich.