Samy Deluxe

Samy Deluxe

Deutscher HipHop: Trocken und hart - Put your hands together: Samy Deluxe legt ein Solo-Album vor, das den deutschen HipHop vor dem Ausverkauf rettet.

Der deutsche HipHop hat seine Unschuld verloren. Mit Blut und Tränen. Ist den Kinderschuhen endgültig entstiegen. Die letzten Hobby-Reimer brechen nun in Hamburg, München, Frankfurt und endlich auch in Berlin die Schule ab, um als Vollzeit-MCs die deutschen Charts wie Tüten aufzurollen. Bekriegen sich im großen Stil, mit großer Klappe. Schleppen sich mit rot-verquollenen Augen über Top Of The Pops- und Echo-Bühnen, ohne Rücksicht auf Verluste. Die Herzen der Szene-Fundamentalisten sind längst gebrochen. Sie weinen der guten alten Zeit nach, als pubertierende Jungtalente Demo-Tapes in Kellerstudios betexteten; als kleine Kappenträger auf Partys übersteuerte Rhymes durch die Anlage toasteten, bis die Membran in Fetzen hing. Zwar hat die Republik im internationalen Vergleich spät gezündet. Doch im Jahr 2001 ist nun auch hierzulande eine Entwicklung abgeschlossen, die in den USA und Frankreich längst stattgefunden hat: HipHop ist der Randgruppen-Nische entstiegen und ist jetzt Pop. Massen- und Hitparaden-Ware. Weshalb ein Aufschrei durch die engstirnige „Szene“ geht. „Mich erinnert das ein bisschen an die Hitler-Jugend“, sagt Samy Deluxe, der damit rechnen muss, dass auch sein neues Album unter totalitären HipHop-Headz auf Kritik stoßen wird. „Früher warst du der Bösewicht, weil du einen Major-Vertrag hattest. Das ist jetzt vorbei, seit alle kleinen Labels von den großen abhängig sind. Jetzt bin ich halt der Böse, weil den Leuten das einfach eine Nummer zu large wird.“

Egal wie large, das Album Samy Deluxe ist das Beste, was dem deutschen HipHop im Jahr 2001 passieren konnte: Genau wie Notorious B.I.C. und 2Pac gelingt Deluxe in dieser kritischen Phase der Rap-Kommerzialisierung der Spagat zwischen Massentauglichkeit und Underground. Die Platte demonstriert, wie man mit deutschem HipHop reich werden kann, ohne künstlerisch Kompromisse einzugehen. Die Produzenten (Tropf, DJ Dynamite – der den Job als Vollzeit-Live-DJ von Dynamite Deluxe abgegeben hat – Sleepy und Don Dougie) sparen sich vordergründige Effekte, die 18 Tracks sind klischeearm und trocken. Die Texte fließen erstaunlich mühelos über Beats, die salvenartig abgehackt eine hysterische New-School-Dynamik entwickeln, der man sich bei hohem Volume-Pegel kaum entziehen kann. Wenig gefällig klingt das vielleicht beim ersten Hören, doch Geduld! Erst nach und nach werden die Details hörbar, die dieser Platte Tiefe geben: Laszive Ladys croonen unaufdringlich „Da-Wi-cke-da Emssieee“, und die DJs Ben Kenobi und Mixwell lockern die wummernden Beats mit cleveren Scratches auf. Vor allem aber liefert Samy Deluxe mit verlässlichem Gespür genau dann Emotion und Inhalt, wenn die Eigenwerbung Überhand zu nehmen droht. Songs wie „SOS“, „Eppendorf“ und „Hausfriedensbruch“ sind packende Milieu-Studien, Schlüsselkinder-Tagebücher, wie sie in den Hochhausvierteln der Nation tausendfach geschrieben werden. „Es is‘ nichts mehr wie’s früher war/meine Generation braucht Motivation und kein‘ Führer/ich hab‘ doch sogar schon im Fernsehen mit euch diskutiert/ihr ganzen Scheiß-Politiker wisst alle nichts von mir/Denkt wahrscheinlich, die Menschen seien noch Jäger und Sammler/dabei sind alle die ich kenn Langschläfer und Gammler.“ Gastauftritte sind rar: Afrob, Dendemann, Illo 77 und Nico Suave bleiben bei ihren kurzen Features im Hintergrund, überlassen Samy die Bühne, die er im Sturm genommen hat. Vorhang auf für Samy Deluxe, den neuen Superstar im nationalen HipHop-Zirkus: Respekt für einen, der die Skills hat und sogar bereit ist, wenigstens bei der Arbeit für den Erfolg die Tüte hintenan zu stellen: „Ich burne nicht, wenn ich auf der Bühne steh/weil ich mir Mühe geb/und danach erst relax’/und backstage das Grüne dreh.“

www.samy-deluxe.de