Serpentwithfeet

Deacon

Secretly Canadian/Cargo VÖ: 26.3.)

Bumsen im Weihrauch: Dieser großartige Gospel-R’n’B ist ein Liebesakt der queeren Selbstermächtigung.

Dieser Name schon! Serpentwithfeet, eine Schlange mit Füßen – das klingt ja sonderbar, das klingt ja queer! Warum sollte eine Schlange Füße haben? Doch tatsächlich: Die Biologie weiß, dass Schlangen rudimentär ausgebildete Hüft- und Hinterbeinknochen haben und in ihren Genen die Anlagen für Beine vorhanden sind. Warum Schlangen im Lauf der Evolution ihre Beine (nahezu) verloren haben, ist ein ungeklärtes Rätsel – was die Bibel freilich nicht davon abhält, die Antwort auf den Tisch zu knallen: Die Schlange hat, so weiß das Buch Genesis zu berichten, weil sie die Menschen zur Sünde verführt habe (Eva, der Apfel, wir erinnern uns), als Gottesstrafe ihr Beine einbüßen müssen. Oha.

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Josiah Wise, 32, alias Serpentwithfeet, kennt diesen Mythos der Erbsünde gut, denn er kommt aus christlichem Hause, hat als schwuler Teenager im Kirchenchor gesungen und den Gospel intus wie andere den Whiskey – im erwärmten Herzen wie auch in der Stimme. Und sicher gibt es Leute, die sagen würden, dass dieser schwulen Schlange die Beine abgeschnitten gehörten – aber das geht ihm am Arsch (wie gesagt, Schlangen haben eine Hüfte) vorbei, denn er ist mit sich im Einklang.

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Das erschließt, ach was, erfühlt sich schon im Opener „Hyacinth“ seines zweiten Albums DEACON: sanfte Slide-Gitarre, Piano-Akkorde, und dann die geschmeidige Stimme, die operngeschult mal auf einer Tonhöhe rezitiert, aber auch wendig genug für rasche Frequenzwechsel ist: Serpent singt davon, dass er dachte, nur Bienen seien mit Magie gesegnet, nicht die Männer, die er datet – aber nun weiß er es besser. Denn wer mit einer Blume, etwa mit der titelgebenden Hyazinthe, ins Bett geht, kann mit einem Traummann aufwachen. Die Ovid’sche Kunst der Metamorphose lässt grüßen.

Serpent deklamiert progressiv das Recht von Queers, nicht bloß als Opfer dargestellt zu werden, sondern auch ihr Liebesglück zu feiern

Klingt kitschig? Nee, denn Serpent wiederholt keine sinnentleerten Formen, sondern deklamiert progressiv das Recht von Queers, nicht bloß als Opfer dargestellt zu werden, sondern auch ihr Liebesglück zu feiern. Dabei schwingt sich seine Stimme schmetterlingsleicht in die Höhen, auto-tune- stöhnt, aber hat auch keine Panik, mal lächerlich zu klingen – denn Verliebte fühlen sich mit allem Recht nie lächerlich. Serpent schmachtet seinen Boy („Amir“) an, lädt zum Date, wahlweise mit Bier oder Rosé; und er fragt sich, wie wohl die Küsse nach dem ersten Krach werden.

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In „Sailor’s Superstition“ stellt er fest, dass viele Paare nach einem Jahr nicht mehr miteinander lächeln, aber er weiß, wie sie es besser machen werden, mit der nötigen Portion Demut und Seemannsgarn. „I’m his little spoon and all the soup on his mouth came from me“, singt Serpent. Ob die Suppe, die er seinem Typ um den Mund schmiert, Sperma ist? Im Track „Wood Boy“, der nicht bloß Holz, sondern auch das morning wood mitmeint, die Morgenlatte, macht Serpent klar, dass er sich penetrieren und vollpumpen
lassen will.

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Serpentwithfeet spricht sein homosexuelles Begehren ebenso natürlich aus, wie es Heten tun würden. Der Clou ist, dass er den christlich-konnotierten Gospel subversiv für seine Zwecke einspannt, nämlich als erbauliches, erhebendes Tool, mit dem er seinem Brandy’esken Midtempo-R’n’B viel Extra-Schubkraft gönnt. Der Sound seiner auch schon tollen ersten Platte war noch voller Zweifel, Brüche und Abgründe. DEACON nun ist das Power-Pendant: ein Hohelied auf die Liebe, die allen Zweifeln trotzt. Groovy, choral, Handclaps, angejazzte Klavierläufe, zarte Bombast-Beats. DEACON ist ein Liebesakt der queeren Selbstermächtigung.

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