Sieben

Hannibal Lecter hat einen Bruder im Geiste. John Dee (Kevin Spacey) heißt er und vertreibt sich die Zeit damit, Menschen umzubringen. Aber nicht einfach so, wie sie ihm vors Messer laufen, das muß man ihm lassen, John Dee läßt sich von der Bibel inspirieren und schlachtet nach dem Prinzip der sieben Todsünden: Maßlosigkeit – hier wird das Opfer mit Essen vollgestopft, bis es platzt – Habsucht, Trägheit, Zorn, Hochmut, Wollust und Neid sind die Spielarten der Ritualmorde. Im Sinne des guten Geschmacks soll hier auf weitere Details verzichtet werden, Dee ist ein kranker Kopf, das muß reichen. Die beiden Cops Sommerset (Morgan Freeman) und Mills (Brad Pitt) sind auf das Monster angesetzt worden. Schwarz und weiß, desillusioniert und idealistisch, zynisch und naiv: Die Gegensätze der beiden Gesetzeshüter könnten größer nicht sein. Das klassische Duo des Cop-Thrillers also?

Wer glaubt, bei ‚Sieben‘ handle es sich um ‚Lethal Weapon‘ mit religiösem Unterbau und bei Sommerset und Mills um die juvenile Ausgabe von Danny Glover und Mel Gibson, liegt daneben. Der Unterton des Films ist nicht humorig und der Action-Gehalt bis auf eine irre Verfolgungsjagd gering. ‚Sieben‘ ist düster, klaustrophobisch und hat die Luftfeuchtigkeit eines Hamburger Herbstes. Es regnet ständig und es herrscht – auch bei Tagesaufnahmen – immer die Suggestion tiefer Düsternis. Regisseur David Fincher schafft dadurch eine Atmosphäre des schleichenden Grauens und hat es deshalb auch nicht nötig, das grausige Tun in Großaufnahmen zu zeigen. Der Effekt, daß sich der Zuschauer mit Feuerwaffe und Regenschirm bewaffnen möchte, wird auch ohne Sudel-Optik erreicht. Wenn der Film überhaupt an einer Vorlage gemessen werden soll, dann an Jonathan Demmes ‚Schweigen der Lämmer‘. Hier wie dort bauen sich die wirklich unappetitlichen Bilder in den Köpfen der Betrachter auf. Und wenn ‚Sieben‘ auch nicht ganz so brillant konstruiert ist wie Demmes Film, so hat er mit Pitt den attraktiveren Helden. Trotz Schmuddellook ist erkennbar, warum Mädels bei seinem Anblick ihre gute Kinderstube vergessen.