Sigur Rós – Med sud I Eyrum vid spilum endalaust

Es gibt auch auf ihrem fünften Studioalbum solche Momente, in denen diese Band Jón Pór Birgissons Stimme zum transzendentalen Schwirren nach Eno’scher Lehre emporsteigen lässt. In denen Sigur Rós dein Herz zu einer Kathedrale umbauen. Um darin eine Messe aufzuführen, in der du kein einziges Wort in deine Sprache zu übersetzen weißt und dir so manche Handlung fremd und seltsam scheint – und du trotzdem verstehst. „Festival“ heißt so ein besonders prächtiger Moment, er ist fast neuneinhalb Minuten lang und führt in das Land, in dem auf wunderbaren schemenhaften Alben, wie () eines war, Vereinigungen von tiefer Melancholie und kirchenmusikalischer Anmut gefeiert wurden. Keine Ahnung, was Birgisson hier einmal mehr ins anrührende Knabenchorfalsett treibt (man versteht ihn ja nicht). Es hat wohl auf jeden Fall mit einem gerüttelt Maß an Herrlichkeit zu tun. Aber dann, genau zur Hälfte des Stücks, hält die Verwandlung hin zur gewissen Tollerei, die die Isländer ja nicht aus Jux angekündigt haben, prasselnden Einzug: Die Bassdrum stampft, Basssaiten knarzen, rituelles Getrommel, das auch in anderen Stücken sehr präsente Orchester tost, der Gesang kehrt zurück und ergießt sich in fast atemlose Chorkaskaden. Das Lied feiert seine eigene schlichte, ewige und ewig schöne Melodie als rauschendes Fest (bitte infernalisch laut hören!). Dennoch keine Rede von einer „Neuerfindung“. Sigur Rós haben nur eine festere Form angenommen. Sie hinterlassen jetzt gewissermaßen Fußspuren – vor allem in Sound und Arrangement. Doch auch wenn Songs wie das von polyrhythmischem Trampeln, klatschenden Händen und einem tausendfachen „La la la“ in fremden, fröhlichen Zungen durchs hohe Gras getriebene „Gobbeldigook“ oder der kaum weniger rauschhafte Klingklang „Inni mer syngur vitleysingur“ geradezu körperlich daher kommen. Und Sitzsackgitarristen sogar versucht sein könnten, eine mit deutlichem Flutsch über die Stahlsaiten rutschende Ballade wie „Gódan daginn“ solo einzustudieren: Sigur Rós sind noch lange keine Popband im landläufigen Sinn. Und so kerzenscheinklein und klar sie ein Wiegenlied wie „Íllgresi“ auch intonieren: Sigur Rós‘ Stärke bleibt weit noch vor ihrem Songwriting die spirituelle Inbrunst, mit der sie ihre immer noch sehr fragile Musik vortragen.

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