Straßenjungs – Los!
Angefangen haben die Straßenjungen als Retortenband mit DAUER-LUTSCHER 1977. Die CBS verkaufte ihren „Pornorock“ als Punk. 1979, mit neuer Besetzung, hatten die Straßenjungs ihr eigenes Selbstverständnis gefunden. WIR HAM NE PARTY war für mich eine gute Sammlung von Rock’n’Roll- und Beatsongs. Reggae und Punkfreak ug hingegen empfand die Straßenjungs im Vorprogramm seiner über alles geliebten Siouxsie als langweilige Hard-Rock-Combo. Tja, jeder hat seinen eigenen Blickwinkel.
Mit LOS! haben Nils Selzer & Co. alle Anachronisten hinter sich gelassen und präsentieren sich zeitgemäß(er) als Mit(st)reiter (auf) der Neuen Deutschen Welle, behalten glücklicherweise dennoch ihr spezifisches Flair durch Nils‘ Gesang und Texte und sind nun auch für die Fans von Hansaplast und Fehlfarben interessant, wenn die nicht sowieso schon zu den Käufern der 17.000 (!) Exemplare von WIR HAM NE PARTY zu zahlen sind.
Neben dem eingedeutschten R’n’R-Standard „Komm Tanz“ und dem Ramones-Stück „Einer Ist Immer Der Arsch“ gibt’s auf LOS! noch ll (!) weitere Kompositionen, darunter auch den „Drummer Mit Dem Holzbein“, Nils‘ 76er Bellaphon-Single, die schon damals in einigen Sendern auf den Index verbannt wurde: Behindertenorganisationen hatten Einspruch erhoben. Dabei handelte es sich beim DRUMMER noch um einen harmlosen Nonsens, verglichen mit den teilweise zynischen und sarkastischen Seitenhiebe, die Nils heute so auf unseren Sozialstaat verteilt! Dabei dürfte vor allem der Verteidigungsminister wenig glücklich über das von Nils‘ korrigierte Image der .Bundeswehr“ sein. „Es läuft nur noch Geschlechtsverkehr/In unsrer schönen Bundeswehr“, beschwört Nils die Soldaten, doch nicht mehr die Waffen in die Hand zu nehmen. »Die Bundeswehr übt jetzt anal“, sieht er neue Betätigungsfelder für die Verteidiger unseres Vaterlandes.
„Uniform“, eine schräge Nummer mit kaputten Harmonien, stellt jeds Art von Uniformierung, ob als Spießer, Popper, Bulle, Punk oder Hippie in Frage. „Los!“ skizziert den eigenen neuen Status als Kleinunternehmer und der Steuerfahndung vor der Tür. »Hans K.“, unter einer Minute (!), ist die auf Geschwindigkeit und Power getrimmte Kurzversion von Hänschen Klein (dastanden wohl die Dikkies Pate…) und „Adios Amigo“ ist Straßenjungs‘ keineswegs ernst gemeinter Beitrag zum Grand Prix d’Eurovision, in schönster Caprifischer-Tradition, Kitsch as Kitsch can. Und dann kommt das Rezitativ: „Weißt du noch wie wir uns damals trafen?/Der Strand war weiß/Deine Haut war braun/Und du hattest so wenig an./ Unsere Herzen fanden zueinander/ Und auch andere Körperteile. Doch plötzlich tauchte ein Mann auf/Es war DEIN MANN/Er war Strandpolizist/Er hatte ein Messer/Wir kämpften und als er dann im Sand in seinem Blute lag sagtest du/Adios Amigo, Adios und Good-bye…“ Schön romantisch, gell?
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