Swans

To Be Kind

Mute/GoodToGo

Die Noise-Experimental-Rock-Veteranen verweigern sich erneut jeglicher Altersmilde.

Sehr witzig, Michael Gira! Da haut einem der Kopf der Band so ungefähr alles um die Ohren, was das Swans-Repertoire an tonalen und zumeist atonalen Fiesheiten wie enervierenden Sounds und Exzessen bietet und nennt das Album dann TO BE KIND. „Freundlich sein“, aber freundlich klingt hier so gut wie nichts. Passend zum Inhalt zeigt die in sechs verschiedenen Aufmachungen erscheinende Platte zum Beispiel ein Baby mit zerzaustem Haar, einem aufgerissenen Mund und verstörtem Blick. Es ist das totale Pendant zum freundlichen und hübschen „Gerber Baby“, das seit Ende der 1920er-Jahre die Verpackung von Baby-Nahrung ziert und in den USA ungefähr so bekannt wie Humphrey Bogart oder Liz Taylor ist.

Von diesen Pastell-Bildern mit Horror-Charakter existiert eine Reihe, die schon vor Jahrzehnten von Bob Biggs angefertigt wurde. Besser bekannt ist der Künstler als Gründer des L.A.- Punk-Labels Slash Records (Faith No More, Misfits). Gira lernte ihn Ende der 70er-Jahre kennen, bat ihn damals, eines seiner Bilder für ein Cover benutzen zu dürfen und erhielt mit „No!“ eine deutliche Absage. Aus dem Kopf aber sind diese Malereien Gira nie gegangen, nun kam die Zusage als Artwork für TO BE KIND.

Seit der Neugründung im Jahre 2010 veröffentlichten die Anfang der Achtziger in New York formierten Noise-Rocker und No-Waver damit nun schon ihr drittes Studio-Album, und bei allen handelt es sich um Doppel-CDs. Zumindest, wenn man die Spezial-Edition des 2010er-Albums MY FATHER WILL RIDE ME UP A ROPE TO THE SKY einrechnet. Dieses Werk legte die Grundsteine für alles, was THE SEER von 2012 zum Opus magnum der Swans machen sollte, komprimierte es doch das komplette Klangspektrum aus der Geschichte des Sextetts. Ein Meisterwerk, ein süchtig machendes Destillat, nach dessen Fertigstellung Michael Gira seinen Zustand als „I’m a completely wrung-out wash-cloth of a human being“ bezeichnete.

Was sollte danach an Steigerung noch kommen? TO BE KIND folgt dem Konzept der konzentrierten Verdichtung von THE SEER nicht. Über eine Spielzeit von zwei Stunden fordert einen die Platte mit zerfurchten Sounds, spooky Riffs und dronigen Klängen, repetitiven Rhythmen, sägenden Geräuschen, grimmigen Tönen, übellaunigen Gitarrenbreitseiten, Destruktion und einem sich phasenweise in einen diabolischen Gesang steigernden Michael Gira am Mikro, der auch nicht gerade für Entspannung sorgt. Vor allem dann nicht, wenn er einem Wortbrocken wie „We seed, we feel, we need, we fight. We seal, we cut, we seek, we love. We grow, we take, we eat, we break. We hunt, we hurt, we seize, we kneel. We heal, we fuck, we pray, we hate …“ in „Some Things We Do“ entgegenschleudert.

Die Songgerüste von TO BE KIND, aufgenommen im weltweit größten Studiokomplex „Sonic Ranch“ nahe dem texanischen El Paso, entstanden während einiger Live-Touren. Große Teile davon fanden sich schon voriges Jahr auf dem selbstveröffentlichten, komplett ausverkauftem Livealbum NOT HERE / NOT NOW. Nun wurden sie mit John Congleton (Modest Mouse, Anna Calvi) und Gästen wie St. Vincent und Little Annie in eine endgültige und weiterhin krude Form gegossen, teilweise spielten die Swans die Stücke live ein.

Mehrere Tracks übertreten dabei die Zehn-Minuten-Spiellinie, „Bring The Sun / Toussaint L’Ouverture“ zieht sich gar über 34 Minuten und das einem David-Lynch-Film bestens stehende „Just A Little Boy“ zieht einen immerhin noch zwölf Minuten in den Bann. TO BE KIND ist ein Moloch an Musik, der nur selten Platz für ruhigere Momente wie in „Nathalie Neal“ mit seinen orientalischen Elementen macht. Aber auf Ruhe können Fans der Swans ohnehin gut verzichten.