Tago Mago – 40th Anniversary :: 2 CD Edition

Nach wie vor gültiger Underground-Klassiker - die Kölner Band wird hier von den Gravitationskräften des Rock endgültig verlassen.

Während die Amerikaner in jenen Jahren damit beschäftigt waren, den Mond zu entdecken, unternahmen Europäer wie die Musiker von Can Expeditionen in die mentalen Räume. Der britische Journalist David Stubbs hat darauf in einem Artikel hingewiesen, in der Tat war diese Reise in das „Dahinter“ ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal von Can und den zeittypischen Bands der frühen 1970er. „Paperhouse“ heißt der erste Track des jetzt wiederveröffentlichten dritten Albums der Band, und „Paperhouse“ ist ein schönes Wort für diese Musik. Tago Mago markiert eine Entwicklung zur Leichtigkeit hin, zur Durchlässigkeit. Gleich im ersten Track des Albums lassen Holger Czukay, Michael Karoli, Irmin Schmidt, Jaki Liebezeit und der seit 1970 fürs Vokale zuständige Damo Suzuki uns in die Blut- und Nervenbahnen des Organismus Can blicken. Es gibt auch kein anderes Album der Kölner Band, das so nah an das kommt, was wir heute Dub nennen, der Track „Aumgn“ ist von den Gravitationskräften des alten Onkels Rock komplett verlassen worden und schwebt in einem Raum, von dem man nicht weiß, ob er besser Inner oder Outer Space heißen sollte. Für den 18-Minüter „Halleluwah“ hat Holger Czukay den stoischen Beat von Jaki Liebezeit geloopt und über die Strecke von ca. sechs handelsüblichen Popsongs unter die Jam-Session der Band geknüpft. Diese Musik hinterließ ein paar Jahre später einen bleibenden Eindruck beim jungen Johnny Rotten: Der Legende nach ist Tago Mago jenes Album gewesen, das Rotten auf die Idee brachte, eine Band namens Sex Pistols zu gründen – nachdem er in den Liner Notes gelesen hatte, dass Can „großartigen Krach“ produzierten. Welche Umdrehungen dieser Krach live erreichen konnte, ist auf CD 2 nachzuhören, u.a. in einer 30-minütigen Live-Improvisation zum „TV-Hit“ „Spoon“, in der die Band nach ca. sechs Minuten in eine Art Stakkato-Techno fällt.