The Ramones – The Ramones; The Ramones – Leave Home; The Ramones – Rocket To Russia; The Ramones – Road To Ruin; :: Punkrock: Joeys wilde Gang

Das Timing hätte kaum besser gewählt sein können: Zum 25. Jubiläum des schlicht The Ramones betitelten Meilenstein-Debüts der Ami-Punks sollten beim kalifornischen Reissue-Spezialisten Rhino die ersten vier und gleichzeitig besten Alben der Ramones erscheinen. Dass die tontechnisch optimal restaurierten, mit zahlreichen Bonustracks versehenen Neueditionen im Kartonschuber genau zu der Zeit veröffentlicht werden würden, in der Ramones-Aushängeschild Joey, wenige Monate vor seinem 50. Geburtstag, seinen jahrelangen Kampf gegen den Lymphdrüsenkrebs verlieren sollte, war sicherlich nicht eingeplant. Der privat äußerst scheue und zurückgezogen lebende Joey war sich der tragenden Pioniertaten seiner Band eigentlich nie so richtig bewusst. Die Startbedingungen der Ramones im Jahr 1974 beschreibt Joey auch wesentlich nüchterner, als es so manche beschönigte Darstellung selbst ernannter Punkchronisten mit dem Abstand von zweieinhalb Dekaden zeigt:“Wethoughtwe werea bubblegum band… there was no punk movement.“ Dass jenes erste Album The Ramones, 5 Sterne, für die lächerliche Summe von 64.000 Dollar Produktionskosten tatsächlich eine Lawine lostreten würde, war beiden Aufnahmen in den Plaza Sound Studios in der New Yorker Radio City Music Hall nicht abzusehen. In nur 17 Tagen entstanden 13 Eigenkompositionen und eine Coverversion, Chris Montez‘ „Let’s Dance“. 28 Minuten und 52 Sekunden pure Energie-vom infernalischen „Hey Ho Let’s Go“ des Openers „Blitzkrieg Bop“ (hier in der Album- und Singleversion vertreten) über Hymnen wie „Judy Is A Punk“, „I Don’t Wanna Walk Around With You“ und „Now I Wanna Sniff Some Glue“ bis hin zum Schlachtruf „Today Your Love, Tomorrow The World“. Inmitten all der aufgeblasen prätentiösen Rock-Konzepte und seichten Teen-Albernheiten à la The Osmonds oder Bay City Rollers wirkte das Album wie ein offen eiterndes Geschwür. Inhaltlich verarbeitete die Combo krude Alltagsgeschichten, Attacken mit dem Baseballschläger, das Texas Chainsaw Massaker und Klebstoffschnüffeln bis zur Bewusstlosigkeit – kurzum alles, auf was konservative Gemüter sowieso, aber auch die Post-Hippie-Generation garantiert nicht vorbereitet war. Als Fan-Leckerli gibt’s zusätzlich diverse legendäre Demoaufnahmen („I Don’t Care“,“l Can’t Be“, „You Should Never Have Opened That Door“). Der zweite Streich, Leave Home, 4 Sterne, im März 1977 veröffentlicht, bestätigte das Konzept des Debüts, ging gar noch ein paar Schritte weiter, auch wenn bei dem einen oder anderen Stück der Spontaneitätsfunke nicht so recht zünden mochte. Mag es daran gelegen haben, dass sich die Ramones erst einmal mit ihrer neu gewonnenen Rolle als Kultfiguren der Punk-Mania zurechtfinden mussten oder einfach zu viel auf die pausenlosen Ratschläge ihres neuen Managers Danny Fields (Ex-Stooges) hörten. Der an sich schon massive Sound geriet noch schärfer, die Songs noch melodischer, die Aufnahmetechnik wurde mehr auf den Punkt gebracht. Die nach wie vor durch Stakkatorhythmen angetriebene Comicwelt der Ramones bevölkerten hinterlistige Serienkiller („You’re Gonna Kill That Girl“), turbogeile Elektroschockbehandlung („Gimme, Gimme Shock Treatment“), Suzys liebste Freizeitbeschäftigung („Suzy Is A Headbanger“) oder der berüchtigte „Pinhead“. Als obligatorische Coverversion fungierte der alte Surfhit „California Sun“. Als Bonustracks gibt’s hier u.a. einen am 8. Dezember 1976 im Roxy Club in LA aufgenommenen, zuvor nur als Bootleg erhältlichen 16-Song-Konzertmitschnitt. Noch im gleichen Jahr schoben die Ramones mit dem extrem zugänglichen Rocket To Russia, 6 Sterne, ihr drittes Album nach. Sanfter durch den Einsatz von Akustikgitarren (im Mix der Neufassung noch weiter in den Vordergrund gerückt) und differenzierter durch ausgeklügelte Arrangements, gelang den Ramones damit das definitive Popmeisterwerk mit einigen ihrer besten Songs (u.a.“Sheena Is A Punk Rocker“, „Rockaway Beach“,“Cretin‘ Hop“, „Here Today, Gone Tomorrow“ oder „Teenage Lobotomy“). Im Bonusteil liefern eine unveröffentlichte Demo-Fassung des Searchers-Evergreens „Needles And Pins“, die rare-B-Seite „It’s A Long Way Back To Germany“ sowie die Single-Versionen von „I Don’t Care“ und „Sheena Is A Punk Rocker“ weiteren Stoff erster Güte. Für Album Nummer vier, Road To Ruin, 4 Sterne, ließen sich die Ramones elf Monate Zeit. Eine Periode, in der so mancherlei passierte: Punk hieß alsbald New Wave und gebar schließlich diverse weitere Subgenres – der Reiz des Neuen war dahin. Nach vier sagenhaften und turbulenten Jahren überließ Tommy Ramone seinen verwaisten Schlagzeugstuhl Marky Ramone. Aber nach der hochprozentigen Pop-Attacke Rocket To Russia musste ein gleich wie gearteter Nachfolger einfach den Kürzeren ziehen. Nicht dass die zwölf Originaltracks – darunter der Speed Metal-Prototyp „Go Mental“ und das unwiderstehliche „I Wanna Be Sedated“ – schlecht wären, aber erweiterte Kenntnisse in Kompositionslehre, Arrangierstil und eine klassische Pop-Produktion sorgten für ein gewöhnungsbedürftiges Ramones-Hörerlebnis. Das gilt auch für die beiden Songs aus dem Roger-Corman-Film“Rock ’n‘ Roll High School“, die schon auf der ’99er-2-CD-Anthology HEY HO LET’S GO vertreten waren. Ebenfalls bekannt ist das Live-Medley aus dem Soundtrack besagten Films. Eine Entdeckung hingegen sind die beiden Ausgrabungen „Come Back, She Cried“ und „Yea, Yea“. Fand sich letzteres nur auf der ’91er-Compilation ALL THE STUFF (AND MORE) VOL: II. so blieb erstere Aufnahme bislang unveröffentlicht.

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