The Rolling Stones – Havana Moon :: Regie: Paul Dugdale

In Havanna feierten die Rolling Stones am 25. März 2016 ihren ersten Auftritt in einem Land, wo sie und andere Rockmusiker, jahrzehntelang verboten waren. Das sollte reichlich Stoff für einen tiefgreifenden Film über den Konflikt zwischen dem Westen, insbesondere der USA, und dem bürokratisch-autoritären Kuba geben, wo Musik es einmal wieder schafft die Menschen trotz allem zu bewegen. Eigentlich.

Eindrucksvolle Bilder von Kubas Hauptstadt. Havanna erscheint in bunten Farben, mit Palmen an den Straßenrändern, Sandstränden und Küsten, farbenfrohen Häusern an denen der Putz bröckelt, weite Straßen, lachende Menschen. Die Impressionen auf der Leinwand lassen den Eindruck eines freien, verspielten und fröhlichen Kubas entstehen.

Schnitt in ein Hotelzimmer: Auf der Bildfläche erscheinen vier ältere Herren. Man erkennt sie sofort. Links außen: Ihr Rädelsführer mit dem markanten Gesicht. Gewohnt eloquent in leicht dekadentem Cockney-Akzent dominiert Mick Jagger das Gespräch. Er erzählt von der Ehre als Rockband in Kuba auftreten zu dürfen, von den tollen Eindrücken und Erfahrungen und natürlich von den großartigen Fans. Sie sind es, für die man das Spektakel veranstaltet. Jahrzehnte lang mussten sie auf die großen Rolling Stones warten und nun endlich endlich, man beehrt sie und dann sogar noch kostenlos.

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Es wirkt gekünstelt, ganz so, als habe er die Rede im Privatjet am Flug zum Inselstaat einstudiert. Seinem Piratenkumpanen Keith Richards glaubt man vielleicht, dass er die Menschen in Havanna liebt und Charlie findet das Essen toll. Das Interview macht eher den Anschein einer Pressekonferenz, als einen tieferen Einblick in die Hintergründe der Rolling Stones in dem kommunistischen Kuba zu geben, wo eine versteckte Diktatur die Bevölkerung noch immer in Schach hält.

In Szene gesetzt wie gewohnt

Wer in den vergangenen Jahren einem Konzert der ehemals „härtesten Rockband der Welt“ beigewohnt hat, kennt das Set. Den Anfang bildet stets „Jumpin’ Jack Flash“. Bei „Sympathy for the Devil“ kommt der theatralische Umhang mit den schwarzen und roten Federn zum Einsatz und das fulminante Ende mit Feuershow und Konfetti bildet natürlich „(I Can’t Get No) Satisfaction“.

Der Film ist aufgebaut wie jeder Konzertmitschnitt der Rolling Stones seit „The Stones in the Park“ (1969): Ein paar einleitende Bilder, ein paar Worte und dann ab zur Show. Wie schon damals das Konzert im Hyde Park, handelt es sich auch diesmal um eine Gratisveranstaltung, eine Tradition, der die Rolling Stones seit den 1960er Jahren konsequent treu geblieben sind. Trotzdem, bei der Vorstellung in tausenden Kinos in Europa, Australien, Russland, Japan und Lateinamerika kostet der Eintritt. In Deutschland zahlt man für diese „ONE NIGHT ONLY“-Erfahrung zwischen 15 und 20 Euro.

Viele Perspektiven, keine neue Sichtweise

Seit Jahrzehnten treffen die Rolling Stones alle Erwartungen. Man weiß, was man bekommt. Jagger stolziert, rennt und tänzelt beinahe wie damals, 1969, auf der Bühne – im Hintergrund die Band. Keith Richards und Charlie Watts sehen mittlerweile ihres Alters entsprechend aus, auch Ronnie Wood, der von Hardcore-Fans immer noch nicht ganz ernst genommen wird, ist etwas mitgenommen, spielt seine Gitarre dennoch einwandfrei.

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Wer die Stones kennt, weiß zudem, dass Richards mittlerweile an Arthritis leidet, seine Gitarre hält er mit verkrampften Fingern. Stammen die elektrisierenden Klänge überhaupt noch aus seiner Hand? Die Close-Ups lassen anderes vermuten. Regisseur Paul Dugdale liefert zahlreiche unterschiedliche Perspektiven der Musiker auf der Bühne, jedoch keine neue Sichtweise auf die Band und ihre Bedeutung.

Die perfektionierte Rolle des Mick Jagger – diesmal auf Spanisch

Der belesene Jagger adressiert sein Publikum in Spanisch. Zwar nimmt auch hier sein markanter Akzent überhand, grammatikalisch korrekt ist es allemal. Vor allem das Ensemble hinter den Rolling Stones, bestehend aus der Souldiva Lisa Fischer, dem Langzeit-Bassist Darryl Jones, Chuck Leavell am Keyboard, und dem Background-Sänger und Percussionist Bernard Fowler gibt eine beeindruckende Darbietung und sind die eigentlichen Entertainer des Abends. Mit Ausnahme vom Mick Jagger natürlich, der seine Rolle perfektioniert hat, wie einst Al Pacino den Paten.

Technisch betrachtet handelt es sich um einen einwandfreien Film, an dem wenig auszusetzen ist. Thematisch fehlt ihm jedoch an Inhalt und vor allem an Tiefgang. Die Bedeutung eines britisch/amerikanischen Rockkonzertes in Kuba wird zwar des Öfteren wörtlich hervorgehoben, jedoch szenisch nicht handfest gemacht. Es ist eine Rolling-Stones-Show wie jede andere. Dieses Konzert hätte ebensogut in einer Hafenstadt in Südfrankreich aufgenommen werden können.