The Rutles – The Rutles
Wie der Sticker aus der Verpackung verrät, gibt’s diese Platte umsonst – dafür aber muß man für das notwendige Beilageheft exakt den Preis einer LP auf den Tisch legen. Aber Leute, allein das Heft ist sein Geld wert, denn was in den Rillen brillant gespielt wird, setzt sich ebenso formidabel in den Texten und Bildern des Heftes fort: Die hochintelligente,überaus witzige Verhohnepipelung der Beatles. Einen Film dazu gibt’s auch schon: „All You Need Is Cash“.
Ex-Bonzo Dog Band-Mitglied Neil Innes hat alles Musikalische vorbereitet, Eric Idle das Heft konzipiert – eine irre Arbeit. Die Rutles, auch The Prefab Four geheißen, bestehen aus Idle, Innes sowie John Halsey und Ricki Fataar, sehen fast wie die Fab Four aus. singen zeitweise verwechselbar echt und spielen zwar eigene Songs, die jedoch sofort mit bestimmten Beatles-Songs (teilweise gleich mehreren auf einmal) identifiziert werden können. Tantiemen brauchten die Rutles keine abzuführen: Nach spätestens acht Takten kratzen sie eine andere Kurve.
Und so geht’s denn von „Hold My Hand“ = „All My Loving/I Want To Hold Your Hand“ über „Ouch = Help“ und „Love Life = All You Need Is Love“ bis zu „Cheese And Onions = A Day In The Life/ Imagine“ und „Let’s Be Natural“, letzteres ein Konglomerat aus „Hey Jude/Let It Be“-Fetzen. Ist bereits das Musikalische fantastisch zubereitet, so hat Neil Innes dazu Texte produziert, die entweder den Beatles das Wort im Mund herumdrehen oder gar die scheinbare Tiefsinnigkeit einiger Beatles-Texte entlarven. Da gibt es Wortschöpfungen wie „Psychedelicatessen“ und „Evangelistic boxing kangaroo“ oder den totalen Nonsens „Everything is everything naturally, let’s be natural“.
Cover und Heft bieten die gesamte Rutles-Story vom Hamburger Star-Club bis zum Ende 1970, mit der „Only Darts Club Band“ und der „Tragical History Tour“; mit der Erklärung, daß Ron Nasty alias John Lennon damals falsch verstanden worden sei, als er „The Beatles are bigger than God“ behauptet haben soll: Nasty/ Lennon sagte tatsächlich „The Beatles are bigger than Rod“, was zutraf – 1966 waren die Beatles/Rutles in der Tat größer als Rod (Stewart). Indes will ich die unzähligen Witze nicht vorwegnehmen. Wenn es nämlich jemals eine Platte gab, die eigentlich jedermann besitzen müßte, der zwanzig oder mehr Beatles-Songs kennt (und wer kennt die nicht?) – dann diese! Eine eindeutige Aufforderung zum Konsum? Ja, geb‘ ich in diesem Fall gern zu! Denn über allem Witz besitzt die Rutles-Platte sogar einen hohen Eigenwert: sie wird keineswegs nach dem vierten Hören langweilig wie etwa eine Otto-Platte, sondern hält der Zeit stand. Mit Songs, die durchweg besser sind als alles, was so in den letzten Jahren von selbsternannten Beatles-Nachfolgern produziert wurde. All You Need Is Love & Cash!