The Singles
Wahrscheinlich wird es wieder so laufen: Die neue Beck-Single „Epro“ (Interscope/Universal) angehört, gegähnt und gedacht: „Na-na-na-na-na-bumm-bumm-schepper-Beck-Musik, circa ODELAY“. Und in vier Wochen kommen wieder alle kleinen Mädchen aus dem Haus hereingelaufen und hauchen: „Duu-huuuu, kannst du mir die neue Beck-Single brennen?“ Natürlich brenne i-iiiich die dann nicht, weil i-iiiich ein – verdammt nochmal – verantwortungsvoller Musikjournalist bin, aber i-iiiich denke dann nochmal nach über die neue Beck-Single. Mindestens. Bis dahin gilt: Wer die neue Beck-Single haben will, soll sie sich gefälligst kaufen, und: Na-na-na-na-na-bumm-bumm-schepper-Beck-Musik, circa ODELAY.
Natasha Bedingfield wird ja selbst von anspruchsvollen Musikhörern für gut befunden, obwohl sie einen musikalischen Beweis für die Gutfindung noch nicht erbracht hat. „Unwritten“ (Sony/BMG) kann er auch nicht sein, der Beweis, weil: wieder so ein Zum-einen-Ohr-rein-zum-andern-wieder-rausgeh-Liedchen wie so viele. Der Paul-Oakenfold-7-Inch-Remix von „lf You’re Gonna“ ist hierauch noch drauf. Aber der macht das Kraut auch nicht fett.
Singles mit Doppel-A-Seiten sind toll. Vor allem wenn sie von Bloc Party kommen. „So Here We Are / Positive Tension“ (Wichita/V2/Rough Trade) hat nicht nur zwei der besten Songs des SILENT-ALARM-Albums … Quatsch, alle Songs auf dem SILENT-ALARM-Album sind beste Songs … also, die Single hat auch noch „So Here We Are (Four Tet Remix)“, der wieder einmal den Beweis erbringt, daß die Songs von Bloc Party auch in elektronischen Kontexten funktionieren, sowie die beiden Non-LP-Tracks „The Marshalls Are Dead“ und „Always New Depths“, die keine Spur un-crazyer, un-funkyer, un-indier sind als alle Songs auf SILENT ALARM.
Das hattest du auch nie zu träumen gewagt, daß einmal Manfred Mann’s Earth Band in dieser Rubrik auftauchen würden. Aber halt nur indirekt auf „For You“ (Kontor/Edel) von The Disco Boys feat. Manfred Mann’s Earth Band. Die Hamburger Disco Boys sampeln den alten Earth-Band-Schlager, der von Bruce Springsteen geschrieben wurde. Die Earth Band wollte wahrscheinlich aus erlaubnistechnischen Gründen dann gleich als „feat.“ genannt werden. Das kann man jetzt scheiße finden wegen Bumm-Bumm-Musik feat. Ikonen, oder auch einfach deshalb, weil es einfach nur scheiße ist.
Das hat zwar jetzt überhaupt nichts damit zu tun. Trotzdem: Feeder-Sänger Grant Nicholas singt in „Tumble & Fall“ (Echo/PIAS/Rough Trade) die drei Worte „Yeah Yeah Yeah“. Und zwar lahmarschig, schnarchnasig und kuschelrockig, Nicholas sollte sich die Maxi-Single „Yeah“ von LCD Soundsystem besorgen, die zwar nicht ganz so gut ist wie „Losing My Edge“, um zu wissen, wie „Yeah Yeah Yeah“ richtig geht. Der Rest: Rock-Rock, der mir gestohlen bleiben kann.
Bei der Art, wie sich Handsome Boy Modeling School präsentieren, mit lustigen Kappen und lustigen Schnauzbärten, kann dir glatt die Lust vergehen, sich mit dem Projekt von Dan The Automator und Prince Paul zu beschäftigen. Das wäre aber falsch, weil Handsome Boy Modeling School ja doch irgendwie gut ist. Auch wenn die Single „The World’s Gone Bad“ (Atlantic/Warner) so klingt wie „Part II“ des Gorillaz-Hits „Clint Eastwood“. Das macht aber nichts, weil Dan The Automator ja bei sich selber klauen darf, und außerdem singt Alex Kapranos mit.
Jetzt geht’s ab. Das grandiose „Daft Punk Is Playing At My House“ (DFA/Mute/Labels/EMI) von LCD Soundsystem, der Track, der die Kuhglocke zurück in die Rockmusik gebracht hat, ist jetzt auch als Single zu haben. Neben der „Album Version“ gibt’s den „Radio Edit“, damit das dann auch ganz sicher von „Bayern 3“ im lustigen Morgenradio gespielt wird, ein „Instrumental“, zum Selbermitsingen und den „Soulwax Shibuya Mix“ mit fies geflangten Effekten und Polizeisirenen und – hmm, ja – besser als vieles andere von Soulwax.
Es könnte sein, daß in vier Wochen wieder alle kleinen Mädchen hereingelaufen kommen und hauchen: „Duu-huuuu, kannst du mir die neue Moneybrother-Single brennen?“ Natürlich wird auch dann nicht gebrannt, aber recht haben sie schon in ihrem Ansinnen. „They’re Building Walls Around Us“ (Burning Heart/Indigo) ist exaltierter, manischer Marvin-Gaye-esker „blueeyed-soul“ mit Streichern und Hu-hu-hu-hu-Gesängen und ein verdammter Hit dazu.
Soulwax sind ja sicher keine schlechten Menschen. Aber diese Geschichte von wegen „Rock“ und „Dancefloor“ zu verheiraten, ist ja auch nicht mehr die neueste. „E Talking“ (PIAS/Rough Trade), sagen Soulwax, klingt wie Led Zeppelin mit Synthesizern. Nur will ja irgendwie auch niemand so wirklich Led Zeppelin mit Synthesizern hören, nur eine ganz kleine Minderheit vielleicht unter meinen 15jährigen Skater-Freunden.
Das nennt man dann Selbst-Bewußtsein. Die berühmte Musikgruppe Wir sind Helden hat das autoreferenzielle „Gekommen, um zu bleiben“ (Labels/Virgin) als erste Single aus dem Album VON HIER AN BLIND ausgekoppelt. Das ist ein Windausdensegelnnehmer für alle, die beschlossen haben, das zweite Helden-Alben schon scheiße zu finden, bevor sie es gehört haben, obwohl die Scheißefinder trotzdem immer was zum Scheißefinden finden. „Gekommen, um zu bleiben“ ist ein Hit, Wir sind Helden wiedererkennbar und doch ganz anders, 20er Jahre Revue-Bläser inkl. Männer-Bariton-Chor.
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