Thin Lizzy – Renegade

Es beginnt wie bei einer drittklassigen Keyboard-Band, doch der verschreckte Hörer beruhigt sich schnell: Nach einer Minute sind’s wieder die alten Thin Lizzy, in neun Songs wie gewohnt daherrockend mit Boogie als entferntem Freund, Phil Lynott’s markigem Baß und seiner ewigen Bösewicht-Stimme. Brian Downey klopft tapfer und sauber und die beiden Gitarristen Scott Gorham und Snowy White duellieren sich in Bestform. Und da ich keinen Song besonders hervorheben möchte, weil keiner unterm Strich liegt, könnte die Plartenkritik hier enden – mit einem Larifari-Schlußsatz Marke „gewohnte Qualität von Thin Lizzy auf ihrer soundsovielten Platte“, vier Sterne, basta!

Aber damit würde ich Thin Lizzy nicht gerecht, weil ihre vier Sterne hier weit größeren Wert besitzen, als es zunächst aussieht. Denn Thin Lizzy’s Brillanz liegt in der Tatsache, daß die Band seit 11 Jahren unablässig brauchbare bis sehr gute LPs und Singles abliefert, ohne jegliche Abnutzung zu zeigen. Und daß das Quartett musikalisch überzeugt; nicht durch blutgetränkte Cover; nicht durch Herausbellen simpler Riffs, um die mühsam ein Song gebastelt wird; nicht durch billige Verrenkungen des Sängers um den ersten Platz in der Rock-Phallokratie; und auch nicht durch massive Promotion von Plattenfirma und Management.

Und daher haben Thin Lizzy-Platten auch noch Bestand, wenn Iron Maiden und ähnlich üble Konsorten längst wieder stempeln gehen ¿weis nicht glaubt, höre sich mal die Breaks bzw. Strukturen auf „Angel Of Death“ oder „Renegade“ an. Also, wenn Heavy Rock, dann keine hochgezüchteten Eintagsfliegen, sondern Bands, von denen in drei Jahren auch noch Ersatzteile zu kaufen sind – in Form von weiteren guten Folge-LPs.