Third World – 96 Degrees In The Shade

Seit Bob Marley durch deutsche Lande zog und seit Dillinger mit „Cokane In My Brain“ in die deutsche Single-Charts aufstieg, ist das Interesse an Reggae hierzulande stark angestiegen; leider schrecken die einheimischen Plattenfirmen noch immer davor zurück, auch nur einen kleinen Teil der vielen guten Reggae-Platten zu veröffentlichen, die in Jamaica und London produziert werden. Immerhin: die sechsköpfige Band Third World fand Gnade vor den Augen der Ariola-Manager; wer im Plattenladen hartnäckig bleibt und sich von unwissenden Verkäuferinnen nicht abwimmeln läßt, hat daher gute Chancen, das gelungene neue Album der farbigen Band zu erhalten.

Third World spielen Reggae mit einem starken Soul-Einschlag; wer schwarze Musik liebt, sich aber seit Jahren über den Disco-Schmalz ärgert, den schwarze US-Gruppen wie am Fließband produzieren, kann bei dieser Platte aufatmen. Aus dem Sound von Third World ragen neben dem erfrischenden, pochenden Reggae-Rhythmus vor allem der weiche, mehrstimmige Falsett-Gesang heraus; außerdem hat die Band eine Schwäche für eingängige Melodien und schreibt überhaupt schöne Songs: „Jah Glory“ und „Feel A Little Better“ etwa sind echte Ohrwürmer. „Jah Glory“ macht sich auch gut als Anspieltip: Die faszinierende instrumentale Passage, mit der dieser Titel anläuft, zeigt, wieviel unverbrauchtes Feeling diese sechs Musiker besitzen.

Delroy Washington gehört zur halben Million Jamaikaner, die mittlerweile in London lebt. Auf seiner neuen LP (leider nur als Importplatte erhältlich) spielen die religiösen Wurzeln des Reggae noch eine stärkere Rolle als bei „Third World“ – der Plattentitel „Rasta“ deutet schon darauf hin. Auch die Reggae-Rhythmen fallen hier urwüchsiger aus, hegen näher an den Roots. Gleichwohl findet man auch auf diesem Album instrumentale Raffinesse und ein Gefühl für eingängige, überzeugende Songstrukturen „Chant“ und der Titelsong „Rasta“ sind gute Beispiele dafür. Wer immer noch glaubt, Reggae sei nichts anderes als ein ewig gleicher stupider Rhythmus, sollte zudem mal hören, mit wieviel Fingerspitzengefühl Delroy Washington und seine Begleitmusiker (vorwiegend hervorragende jamaikanische Sessionmusiker) auf diesem Longplayer Jazzelemente verarbeiten. Manches unsinnige Vorurteil wird dabei wohl zu Bruch gehen.