Tracy Chapman
Crossroads
Geben wir’s doch ruhig unumwunden zu: Von den vielen Kritikastern in den Medien hätte es im Frühjahr 1988 wohl kaum einer für möglich gehalten, daß diese junge schwarze Sängerin mit der spröden, ungewöhnlichen Stimme innerhalb kürzester Zeit so viele Freunde finden und schon im September mit Mega-Stars wie Sting und Peter Gabriel als Newcomerin des Jahres auf
der großen Amnesty-Tournee rund um die Welt reisen würde.
Der Erfolg des Debütalbums TRACY CHAPMAN gründete sich vermutlich auf mehrere Faktoren: erstens die unverwechselbare, ungewohnte Stimme; zweitens die entspannte Produktion zwischen akustischer Folksinger-Tradition und dezenter Rock-Seele; drittens der Crossover-Charakter, der Tracy für Schwarz und Weiß gleichermaßen akzeptabel machte – und viertens schließlich die Tatsache, daß sich eine Musikerin artikulierte, die in der Tat noch sehr glaubwürdig und ehrlich wirkt und der, modernen Way Of Life grüblerisch und poetisch in Frage stellt.
Weshalb so viele Worte über das Debütalbum von Tracy Chapman, wenn doch gerade die neue Platte zur Diskussion steht? Weil dieses neue Album haargenau in die gleiche Kerbe schlägt wie das Debüt, weil Tracy Chapman auf höchstem Niveau auf der Stelle tritt. Nur ein Beispiel von vielen: „Subcity“ ist „Fast Car“, Part Two, und klingt mit seinem perfekten Folkrock-Arrangement (selbstverständlich mit Harmonika, Orgel und Geige) unleugbar wie ein bislang verschollenes Meisterwerk aus Bob Dylans Erfolgsphose in den 60er Jahren. Und so lassen sich noch viele weitere Parallelen zwischen den beiden Platten ziehen.
Tracy ging eben auf Nummer sicher, was man ihr angesichts ihres rasanten Aufstiegs nicht einmal ankreiden kann. CROSSROADS ist halt nicht mehr und nicht weniger als der zweite Teil von TRACY CHAPMAN; Experimente finden hier nicht statt, sie genügt sich selbst, so wie sie ist. Und solange das Resultat so gut ausfällt, wird das ihren vielen Sympathisanten auch genügen. Auf Dauer freilich ist das aber nicht genug.