Traurigschöngut
Mein schönes Leben von Manfred Krug Econ, 456 Seiten, 24 Autobiografie, die mehr erzählt als eine Jugend, und nebenbei noch große Kunst.
Vor einigen Jahren hatte ich eine Verabredung mit Manfred Krug. Was für eine Chance! Dem Mann, dessen künstlerische Handschrift sich fugenlos niederschlägt in seiner Art, eine Zigarre anzurauchen: als wäre das eine ungeheuer ernste und wichtige Sache und zugleich völlig wurst, der es als einziger mir bekannter Künstler schafft, einen Jazz-Song wie einen Schlager und einen Schlager wie einen Jazz-Song zu singen, dem es zu Zeiten des unsäglichen Schimanski-Kitschs gelang, eine deutsche TV-Kommissar-Figur mit genau der richtigen Mischung aus starrköpfigem Individualismus, unspektakulärem Engagement und Privatheit zu füllen usw. – dem hätte ich gerne so viele Fragen gestellt: die nach dem Sinn des Lebens und des Mobiltelefons vielleicht nicht, aber die meisten anderen schon. Leider machte die Influenza einen Strich durch diese Rechnung. So blieb mir nur, zu tun, was Kritiker (zugegeben) selten tun: warten. Warten, bis endlich dieses Buch erscheint mit all den wunderschönen, schrecklichen, schrulligen, hintergründig naiven, rührenden, depperten, bestürzenden, charmanten, höchst sympathischen, extrem privaten und grofipolitischen, von einer manchmal schroffen, gerade deshalb aber unwiderstehlich bezaubernden Menschlichkeit erfüllten Geschichten aus den ersten 17 Jahren im Leben des Mannes, der sich im öffentlichen Bewusstsein in letzter Zeit leider auf den Reklamehampelmann eines besonders unausstehlichen ehemals Staats- und jetzt Profitkonzerns reduziert hat, und aus dem Leben seiner taubstummen Urgroßmutter, in denen der Krugsche Plumps-Sarkasmus ganz zurücktritt und einer dunklen, schmerzhaften und hochpoetischen Empathie Platz macht. Vielleicht ist es so gesehen ja auch schon wieder zynisch, dass das Isehr schön gestaltete und zum Glück in gutem Deutsch ohne Reformsprech-Gestopsel gesetzte) Buch ausgerechnet bei einem Verlag erscheint, der sich ansonsten mit Einpeitschungsliteraturvon Henkeibis Höhler hervortutein Kuckucksei, dem man noch Goldschnitt, Leineneinband und eine anständige Fadenheftung gewünscht hätte, damit man es über die Jahre immer wieder hervorziehen und schmunzelnd (tut man das noch?), seufzend und auch mal leise weinend, träumend und klügerwerdend lesen kann, während draußen der Schnee fällt und die Kerzen auf dem Fensterbrett mit einem leisen Flackern den Genuss kommentieren.
www.manfredkrug.de
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