Warren Zevon – Excitable Boy
Warren Zevons zweites Album ist eigentlich sein drittes. Gegen Ende der 60er Jahre veröffentlichte er seine erste (wie er heute sagt, sehr bedauerliche) LP „Zevon: Dead Or Alive“, ein ziemlich unausgegorenes Sammelsurium selbstgeschriebener Songs, von denen allerdings einer, „She Quit Me“, in den Soundtrack von „Asphalt Cowboy“ aufgenommen wurde und ihm eine goldene Schallplatte einbrachte. Die LP selbst erreichte gar nichts, und so verbrachte Warren Zevon einige Jahre als Pianist und Bandleader bei den Everly Brothers bis zu deren Auflösung als Duo im Jahre 1973. Er produzierte dann noch einige Solo-LPs für Phil Everly und arbeitete als unabhängiger Musiker und Komponist.
Zevons enge Freundschaft zu Jackson Browne ermöglichte ihm schließlich einen Plattenvertrag mit dem Asylum-Label und die Aufnahme seines von Jackson Browne produzierten Albums „Warren Zevon“ (Asylum K 53 039). Nach meiner Meinung war diese Platte 1976 die mit Abstand beste aus der kalifornischen Singer/Songwriter-Ecke. Frei von den üblichen LA-Klischees, mit prägnanten Melodien, intelligenten Texten voller Sarkasmus, Witz und Ironie, doch nicht ohne Gefühl, äußerst ökonomisch produziert, und von Warren Zevon mit einer rauchigen,tiefen Stimme gesungen, die sich wohltuend vom Gros der Schönsinger aus Los Angeles abhebt.
Linda Ronstadt (bzw. ihr Produzent Peter Asher) hat das Potential von Zevons Songs offenbar erkannt, denn nicht weniger als drei Kompositionen von der „Warren Zevon“-LP sind auf Lindas letzten beiden Alben zu finden: „Hasten Down The Wind“, „Carmelita“ und „Poor Poor Pitiful Me“.
Jackson Browne und der Gitarrist Waddy Wachtel haben Warren Zevons jüngste LP „Excitable Boy“ produziert, die seinen Ruf als einer der wichtigsten und exzentrischsten Interpreten amerikanischer Rockmusik zementieren dürfte. Eine derartige Anhäufung exzellenter moderner Horrorsongs wie auf diesem Album hat es meines Wissens noch nicht gegeben.
Da wird (im Titelsong) von einem „leichterregbaren Knaben“ berichtender im Kino Platzanweiserinnen ins Bein beißt, und man erfährt auch, welch böses Schicksal der ,,Little Suzie“ aus dem alten Everly Brothers-Hit widerfuhr: besagter Knabe hat sie vergewaltigt und ermordet und nach der Entlassung aus der Heilanstalt ihr Skelett ausgegraben, um daraus einen Käfig zu bauen.
Die Geschichte von „Roland The Headless Thompson Gunner“ ist auch nicht gerade für zartbesaitete Seelen gedacht; denn reichlich blutrünstig wird hier das Thema vom Ewigen Soldaten abgehandelt. Kriegerisch geht es auch in „Veracruz“ und „Lawyers, Guns And Money“ zu, und durch einen anderen Song spukt der Werwolf von London.
Aber Warren Zevon kann auch gute, unsentimentale Liebeslieder schreiben, wie „Accidentally Like A Martyr“beweist. Sogar Funk gibt’s auf der Platte, richtig satten Funk, für Westcoastmusiker ziemlich überraschend („Nighttime In The Switching Yard“), und die Jackson Browne/WarTen Zevon-Komposition „Tenderness On The Block“
enthält mehr Rhythm & Blues-Feeling als alle bisherigen Versuche von LA-Musikern in dieser Richtung zusammengenommen (Little Feat halten wir da mal raus). Ich muß wohl noch hinzufügen, daß die Melodien alles halten, was die Texte erwarten lassen, das Arrangements und Produktion ausgezeichnet sind, und daß man diese Platte unbedingt gehört haben muß.
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