Wayne County & The Electric Chairs – Storm The Gates Of Heaven

Keine Ahnung, ob WayneCounty & The Electric Chairs schon mal im Radio gespielt wurden oder nicht. Auf jeden Fall könnten sie mit „Trying To Get On The Radio“ einen ähnlichen Präzedenzfall heraufbeschwören wie einst Dr. Hook & The Medicine Show, als sie sich „On The Cover Of The Rolling Stone“ sangen. Nur kann ein Foto keine bissigen Bemerkungen loslassen; Wayne County dagegen macht sich reichlich lustig über die Auswahlprinzipien der Programmgestalter und illustriert seinen Versuch „kommerziell zu sein“ mit ironischem Zucker-Refrain, der zudem noch mit Geigen verziert wird.

Auf jeden Fall offenbart Wayne County auf seiner zweiten Safari-LP weitaus mehr Klasse und Persönlichkeit als auf der schon hervorragenden Debut-Scheibe. Mittlerweile hat er sich nahezu völlig von Trend-bedingten Stilmitteln der New Wave gelöst und läßt seine Band auf Seite eins mit einer höllischen Portion Heavy Metal gewaltig losdröhnen. Val Haller (bg), J.J. Johnson (dr, perc), Eliot Michaels (lg) und Henry Padovani (rg) wirken dadurch auf Seite 1 streckenweise ungeschlachter als sie in Wirklichkeit sind.

Wayne legte für diese LP seine Probleme offen auf den Tisch. Inzwischen weiß wohl jeder, daß sich der Transvestiten-Sänger um eine Geschlechtsumwandlung bemüht. Hier ist nun seine schwermetallene Abrechnung mit der Arroganz der „Normalen“: „Mr.Normal“. Für die Rock-Ballade „Man Enough To Be A Woman“ iäßt er einen Titel lang die schwüle Sinnlichkeit aufflakkern, die er im Dunstkreis von New Yorks UndergroundSchickeria mitbekommen hat. Der Song stammt wie das Titelstück „Storni The Gates Of Heaven“ aus dem Jahre ’73. Dieser Aufruf zum „Sturm der Himmelspforten“ bewegt sich ebenso wie „Cry Of Angels“ zwischen höhnischer Gesellschaftsanmache und Blasphemie. Als Giftnudel ist Wayne nun einmal prädestiniert. Wer würde von einem Kind seiner Szene auch etwas anderes erwarten?

Allerdings gefällt mir die zweite LP-Seite besser. Nicht nur daß auf Seite 1 Wayne’s Gesang teilweise zu mickrig unter die deftigen Gitarrenriffs gemischt wurde. Die B-Seite strahlt mehr Atmosphäre aus, ist persönlicher und vielseitiger. Neben „Man Enough…“ gibt’s da noch den eingangs beschriebenen Radio-Song und eine tierische Version des Electric Prunes-Titels „I Had Too Much To Dream Last Night“, mit der Wayne und die Electric Chairs in einer psychedelischen Orgie das goldene Westcoast-Zeitalter wieder aufleben lassen.

Zum Ausklang haben sie allerdings noch etwas Sanftes auf Lager. Für „Tomorrow Is Another Day“ klaute sich Wayne County die ersten drei Takte des Billy J. Kramer-Hits aus dem Jahre ’65 „Trains And Boates And Planes“, entwickelte daraus eine rührend-schöne-Melodie und singt dazu Val Haller’s Ballade von einem (typischen?) New Yorker Selbstmord.