White Bicycles :: Tonite let’s all make love in London!

Der 30. Juni 1967 war ein kaum bemerkter (oder besser: ein vergessener) Wendepunkt der Menschheitsgeschichte. Da brach die Band Tomorrow im Londoner UFO-Club nach dem ersten Set ihren Auftritt ab und marschierte samt Veranstaltern und versammeltem Publikum los, um sich an dem Revolverblatt „News Of The World“ zu rächen, das in den Wochen zuvor mit schaummundiger Hetze gegen die Hippiegemeinde für Drogenrazzien und Gefängnisstrafen gesorgt hatte. Die Menge taumelte (es war ein Uhr nachts) über den Piccadilly Circus durchs West End in die Fleet Street – und fand sich vor einer leeren, dunklen Pressemachtzentrale, die keine Angriffsfläche bot. Um vier Uhr morgens standen Tomorrow wieder auf der Bühne, stimmten ihre Provo-Hymne „My White Bicycle“ an, und für einen langen historischen Augenblick war der „Revolution!“-Chor, den der ganze Club skandierte, mehr als Pose, Hoffnung, Vorsatz, diffuses Ziel: „Wir glaubten es wirklich: „Wenn die Musik sich ändert, erzittern die Mauern der Stadt'“, schreibt UFO-Gründer Joe Boyd. „Der Lauf der Geschichte war mit uns, und die Musik war der Schlüssel.“ Der Moment ging vorbei, „News Of The World“ sorgte für die Schließung des Clubs, aus Musikern wurden Geschäftsleute, der Geist des Sommers ’67 „verdampfte in der Hitze von hässlichen Drogen, Gewalt, Kommerzialisierung und unter den Pressionen der Polizei“.

Der 30. Juni 1967 war auch Mittel- und Wendepunkt des „langen“ 60er-Jahrzehnts (von 1960 bis zu Nick Drakes Tod im November 1974), von dem der Entdecker und Produzent von Pink Floyd, Fairport Convention, Nick Drake, John Martyn, Vashti Bunyan u.v.a. (sowie später Toots & The Maytals, Defunkt, R.E.M., 10.000 Maniacs) berichtet – und zwar aus allererster Hand: Fanatisiert durch die gelungene Wiederentdeckung der totgeglaubten Blueslegende Lonnie Johnson, lebte er fortan Musik. Er war „Produktionsleiter“ beim Newport-Festival 1965, wo Bob Dylan zum „elektrischen Judas“ wurde, er organisierte, produzierte, managte im strikten Learning-by-doing-Verfahren. Vor allem jedoch pulsier(t)en bei Boyd Herz und Hirn gleichermaßen, und das macht sein Buch, obwohl ungelenk und hölzern eingedeutscht, zur Pflichdektüre für jeden, dem Popmusik mehr bedeutet als Einkaufsdudel.

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