Willie Nelson :: München, Circus Krone
Willie go!“, fordern die ganz ungeduldigen im Publikum schon eine halbe Stunde vor Konzertbeginn im Rund des Circus Krone. Hier dominiert heute das Mittelalter. Schönes Gefühl für den Schreiber dieser Zeilen, mit 33 ausnahmsweise mal zu den jüngeren Semestern zu zählen —- zwischen Stetson-Hüten und Cowboy-Stiefeln an Männerfüßen und Fransen-Jacken an von Dauerwellen befallenen Frauen-Schultern. Komisch. Es scheint sich noch nicht herumgesprochen zu haben, daß es ultra-hip ist, die Konzerte eines kiffenden, whiskey-saufenden Country-Outlaw zu besuchen. L7, Mark Lanegan, Kim Thayil von Soundgarden und Ex-Nirvana-Drummer Krist Novoselic haben das erkannt. Sie musizieren gemeinsam mit Willie Nelson auf dem Tribute-Album ‚Twisted Willie‘. Heute abend allerdings regieren die Rednecks. Deren Rufe werden schließlich erhört. Ein gutgelaunter Willie Nelson —- schwarzes Barett auf dem Charakterkopf, das graue Haar zum obligatorischen Pferdeschwanz geflochten, im Cut-Off-Top —- beginnt die Show mit einer sehr langsamen Fassung von ‚Funny How Time Slips Away‘. Wirklich seltsam, wie die Zeit vergeht. Am Tag nach dem Konzert wird Willie 63 Jahre alt. Nelson selber sieht das allerdings anders: „Today is my birthday“, verkündet er stolz, was Band und Publikum zu einem spontanen ‚Happy Birthday‘-Ständchen animiert. Ob’s Zufall ist, daß Willie im nächsten Song den ‚Whiskey River‘ beschwört? Whiskey-Dunst hin oder her -— Nelson führt die fünfköpfige Band sicher durch ein an Standards und Originalen reiches Repertoire: ‚Help Me Make It Through The Night‘, ‚On The Road Again‘, ‚Georgia On My Mind‘, ‚Angel Flying Too Close To The Ground‘, ‚Seven Spanish Angels‘, „Working Man Blues‘, ‚Always On My Mind‘ und ‚To All The Girls I’ve Loved Before‘ -— bei allen Songs bestechen die Musiker durch einen knusprig-trockenen Vortrag zur Gänsehautstimme des alten Mannes. Da bleibt kein Wunsch offen —- bis auf einen vielleicht: Willie go!
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