Wir sind Helden :: Bring mich nach Hause

Columbia/Sony

Und wenn wir schrieben: Der Platz dieser besonderen Pop-Kapelle ist gar nicht in der Hitparade, sondern auf den Stadtfesten – wäre das schlimm? Nein, wäre es nicht. Aber nicht einmal die halbe Wahrheit.

Irgendwo zwischen „Gekommen um zu bleiben“ (2005) und „Endlich ein Grund zur Panik“ (2007) war diese Band an einem Punkt angekommen, an dem es nicht mehr vorwärts ging. Das behaupten zumindest jene Menschen, die Additionsaufgaben lösen, um sich einen Reim auf die Welt zu machen. Die Band hingegen redet(e) vom Gesundschrumpfen (findet allerdings schönere Worte dafür, weil das eine ihrer Stärken ist). Und um über das Schrumpfen hinaus zu regenerien, machten Wir sind Helden dann erstmal Pause. Nach ihrer Rückkehr wird ihnen diese Pause sehr schnell als viel zu kurz vorkommen. Unsere Frage lautet jedoch: Wie geht es uns, die ihr viertes Album zu hören bekommen, wie kurz oder lang fühlt sich diese Pause für uns an? Was wollen wir von dieser Band – heute, noch? BRING MICH NACH HAUSE gibt gute Antworten auf diese Fragen. In dem es sie weitgehend ignoriert. Nicht verkrampft, sondern konzentriert auf sich selbst, das Miteinander, die neuen Instrumente, Banjo, Akkordeon, Glockenspiel, auf den Shuffle, den man da gerade shuffelt bis alle breit grinsen müssen, auf den Jazz, den Blues, den Folk, auf das, was man neu erlernt und neu lieben gelernt hat, kurz und gut: die Musik. Die ist immer noch Pop. Doch die Lieder, selbst die mit Springsteenscher Aufbruchsstimmung geladene Single „Alles“, der klassische Helden-Gitarrenrocker „Kreise“ oder die mit Stadelinstrumentarium gespielten Stampfer „Was uns beiden gehört“ und „23.55: Alles auf Anfang“, wirken, als würde sie das Quartett nicht als bunt eingepacktes Geschenk oder Stolperstein mit Schleife in die Welt stellen, sondern als würden die Stücke lieber eng bei ihrer Band bleiben. So weit, das introvertiert zu nennen, muss man nicht gehen. Aber bei den am Innersten rührenden Balladen, z. B. dem nach süßer Selbstaufgabe flehenden Titelsong oder der von der (freien) Liebe und ihren Opfern erzählenden „Ballade von Wolfgang und Brigitte“, sollte man unbedingt ganz nahe rangehen. Bessere Texte hat Judith selten geschrieben. Sie hat etwas Originalität abgegeben und dafür mehr von dem gewonnen, was diese Band ausmacht: Aufrichtigkeit.

Artverwandtes: Yann Tiersen Le Phare (1998) Bright Eyes Cassadaga (2007)

www.wirsindhelden.com

Dossier S. 70; CD im ME S. 21 Konzertkritik S. 124