Revolution im Wohnzimmer


Der Mann, der den Pop ins deutsche Fernsehen brachte: ein Nachruf auf Mike Leckebusch.

Dass Popmusik im Fernsehen keine gottgegebene Selbstverständlichkeit ist, beweist ein Blick zurück: Als am 25. September 1965 um 16.45 Uhr der „Beat- Club“ von Radio Bremen auf Sendung ging, erkannte darin so mancher brave Rundesbürger den Untergang des Abendlandes. Einfach unerhört, dass diese langhaarigen Krawallmacher auch noch im Fernsehen herumlurnen durften. Und noch bedenklicherschien die Tatsache, dass fortan jeden Samstag über 75 Prozent der lugendlichen vor dem Fernseher saßen, wenn Moderatorin Uschi Nerkedie „lieben freunde der Beatmusik“ begrüßte. Die Schuld an der Kulturrevolution, die Jimi Hendrix, The Who und Deep Purple in deutsche Wohnzimmer fegte, trug Regisseur Michael Leckebusch, genannt Mike. Mit einem heute lächerlich erscheinenden Etat von anfangs 3000 Mark pro Sendung realisierte er die erste Popsendung im deutschen Fernsehen. Und die erwies sich nicht nur in der Heimat als Quotenbringer, sondern wurde in 48 Länder exportiert. Insgesamt 84 mal flimmerte der „Beat-Club“ bis 1 972 über die Mattscheibe, ab 1970 sogar in färbe. Das ist alles schon Verdienst genug, doch nebenbei entwickelte der gebürtige leipziger U’ckebusch, der ursprünglich vom Theater kam, eine ganz neue Bildersprache bei der fernsehtauglichen Inszenierung von Popmusik. Ein „Godfather of MTV & Viva“, der nicht einfach nur die Kamera draufhalten ließ, sondern die bescheidenen Studiotechniken der sechziger lahre überaus kreativ nutzte. Da wurde überblendet und verfremdet, während die Kamera den Schlagzeuger von oben filmte und rhythmisch zoomte. Schnelle Schnitte trafen auf Animationen, als das Wort „Video-Clip“ noch lange nicht geboren war. Nach dem „Beat-Club“ arbeitete Leckebusch als Ideenlieferant und Regisseur von Sendungen wie „III nach 9“ und Rudi Carells „Am laufenden Band“. Zudem gilt er als Entdecker von Margarete Schreinemakers. Doch auch dem Musikfemsehen blieb Leckebusch weiterhin treu: als Regisseur des „Musikladen“ sowie von rund 600 Clips, Trailern und Dokumentationen. Mit halbnackten GoGo-Girls und bunter Kulisse geriet der „Musikladen“ recht zeilgeistig. Kein Wunder, denn der innovative Ansatz des „Beat-Club“ war in den Siebzigern längst verflogen. Zudem musste Moderator Manfred Sexauer immer häufiger Zweitligisten und One-Hit-Wonders ankündigen. Mike lecicebuschs Pioniertat war eben der „Beat-Club“ – oder wortreicher ausgedrückt: die Erkenntnis, dass intemaüonale Popmusik ohne iede Frage ins Femsehen gehört. Michael Leckebusch erlag am 3. März im Alter von 62 lahren einem schweren Herzleiden.