Roy Orbison – Mistery Girl


Ironie des Schicksals: Gerade als sein Werk dank des Traveling-Wllburys-Projekts auf dem Wege zu neuerlicher Anerkennung war, trat der große Melancholiker mit der schwarzen Brille für immer von der Bühne ab.

Am 6. Dezember 1988 erlag Roy Orbison unspektakulär einem Herzversagen, gerade 52 Jahre alt. Geboren in Veron/Texas, landete er 1965 mit „Ooby Dooby“ seinen ersten Hit, dem nach einer Reihe weiterer 1963 „Blue Bayou“ folgte – bis heute sein größter Erfolg. Fast eine ganze Rock-Generation lang umhüllte ihn Schweigen, nachdem er Anfang der 60er Jahre für viele zu den absolut Größten zählte. Die Beatles bestritten seinerzeit das Vorprogramm für ihn, und wer etwas über Roy Orbisons einmalige Bühnen-Persönlichkeit lesen will, sei auf Nik Cohns nach wie vor exzellentes Buch „Pop From The Beginning“ (rororo) verwiesen.

„In Oreams“, „Crying“, „Pretty Woman“, „Only The Lonely“ — Roy Orbison war, zumindest in seinen Songs, nie ein sonderlich glücklicher Mensch. Soviel Schmerz, soviel Seele, soviel Kitsch — jedesmal lieferte er ein komplettes Drama der Leidenschaften. Aber immer glaubhaft, immer präzise, immer anrührend und bewegend und vor allem mit unfehlbarem Stil.

Sein letztes Album, nun sein Vermächtnis, macht ohne viel Aufhebens deutlich, daß er nichts von seiner Faszination verloren hatte. Roy Orbisons Mut zum grandiosen Kitsch, zur opernhaften Übertreibung, zum Overkill der Emotionen gelang in dieser Perfektion nur, weil hinter all dem Sehnen und Zerren an Gefühlsauslösern echter Schmerz (und nicht nur schlechte Laune, wie bei Leonard Cohen) steckte.

T-Bone Burnett, Jeff Lynne und Tom Petty halfen bei den Aufnahmen, die im Frühling und Sommer letzten Jahres entstanden. So erinnert vieles nicht von ungefähr an das Traveling-Wilburys-Album, auf dem Orbisons Beiträge eh zu den Highlights zählen.

„You Got It“, von Roy Orbison, Tom Petty und Jeff Lynne gemeinsam komponiert, lief schon im Radio rauf und runter, aber jeder Song des Albums hat wie dieser so viel unmißverständliche Grandezza noch im brüchigsten Falsett, daß sich dahinter sämtliche Las-Vegas-Crooner schamgebeugt zusammenrollen können.

In demütiger Verbeugung nahmen auch Elvis Costello und U2s Bono teil, indem beide je einen neuen Song für Roy Orbisons Album schrieben. Erstaunlich, wie gut sie seinen nicht gerade alltäglichen Ton trafen; Bonos „She’s A Mistery To Me“ gehört ebenso wie Costellos „Cotnedians“ zu den großen Momenten dieser Orbison-Galavorstellung.

Warum zum Beispiel Bruce Springsteen und Elvis Presley

Bruce Springsteen über ein unvergessenes Vorbild

„1970 fuhr ich 15 Stunden auf einem Sattelschlepper nach Nashville, um in der Music Hall für Roy Orbison als Opener zu spielen. Es war eine Sommernacht, und ich war 20 Jahre alt. Er betrat mit dunkler Sonnenbrille und dunklem Anzug die Bühne und spielte dunkle Songs. 1974, kurz bevor ich BORN TO RUN mochte, härte ich mir seine All-Time Greatest Hits wieder an. Ich lag nachts auf meinem Bett und hörte, wie ,Cryin‘, ,Love Hurts‘, .Running Scared‘ oder ,lt’s Over* den Raum erfüllten. Manche Rocksongs sind für Freundschaften gemacht, aber Roy Orbisons Songs waren immer am besten, wenn man allein in der Dunkelheit war.

Roy leugnete auch die Notwendigkeit, immer das Schema Vers-Refrain-Vers anwenden zu müssen, um einen Hit zu haben. Seine Stimme war überirdisch. Er hatte, wie alle großen Rock’n’Roller, die Fähigkeit zu klingen, als ob er geradewegs von einem anderen Planeten gekommen wäre und sofort unsere Gefühle durchschaute. Er brachte uns Visionen. Ich wollte immer wie Roy Orbison singen. Heute weiß jeder, daß niemand wie Roy Orbison singen kann.“

ihn seit Jahren bewunderten, hier kann man es hören. Pop war nie schmerz- und lustvoller als bei Orbison, und auf diesem seinem letzten Album hat er nochmal allen „Modernisierungsversuchungen“ mannhaft widerstanden — und große Klasse abgeliefert, (wtj

COMEBACK MIT DEN TRAVELING WILBURYS

Meistens klappt’s nicht, aber bei den Traveling Wilburys stimmte einfach olles-. Als eine der wenigen funktionierenden Supergruppen haben Bob Dylon, Tom Petty, Jeff Lynne, George Harrison und eben Roy Orbison mit nur einem Album bereits Rock-Geschichte gemacht. Trotz der launigen Pseudonyme Lefty, Lucky, Otis etc. erkanntejeder sofort, wer da die Finger im Spiel hatte. Kein Wunder: Sowohl Dylan als auch Petty klangen lange nicht mehr so locker und inspiriert. War’s die Freude, daß sie ihr Idol rumgekriegt hatten?

Gefragt wurde der Verehrte vor einem Konzert in Anaheim. „Roy, wir wollen, daß du in unserer Band mitspielst!“, fragte Tom Petty ganz forsch. Und Orbison sagte ohne viel Worte zu. „Hört sich nach einer Menge Spaß anl“, wie er richtig weissagte. Im Studio sollten sich die großen Erwartungen bewahrheiten. „Als Roy Orbison bei den Aufnahmen zu ,Handle With Care‘ dieses kleine Break sang, waren wir alle aus dem Häuschen“, erzählt Tom Petty, „Wir hüpften förmlich durchs Studio!“ Und Jeff Lynne fügt hinzu: „Obwohl wir Freunde geworden waren, brauchte Roy sich bloß hinters Mikrophon zu stellen, zu singen — und plötzlich kroch allen eine Gänsehaut über den Rücken …“