Sabrina Setlur: Zärtliche Härte


Direkt aus Rödelheim trat sie vor einiger Zeit mitten ins Rampenlicht. Jetzt redet eine gereifte Sabrina Setlur über böse Gerüchte, große Gefühle und ihr drittes Album.

SABRINA SETLUR, JA, KLAR, DAS WAR DOCH früher mal die freche kleine Rap-Schwester der großen bösen Buben Moses Pelham und Thomas Hofmann vom Rödelheim Hartreim Projekt. Sabrina Setlur, ja klar, das war die Frau, die zu sich selbst Parallelen mit der S-Klasse zog, die ihre Klappe weiter aufriß als die Gören von Tic TacToe und dennoch bei keinem Elchtest oder sonstwie aus der Kurve flog. Sabrina Setlur, ja klar, das war die Frau, die Xavier Naidoo aus seinem Schattendasein als Backgroundsänger erlöste, ihn vorne an den Bühnenrand schob und stolz dabei zusah, wie einer der größten deutschsprachigen Popstars aus ihm wurde. Sabrina Setlur, das ist die Frau, die sich im zarten Alter von 25 lahren mit Fug und Recht als Mutter des deutschen Hip-Hop bezeichnen darf, als Rapperin der ersten Stunde und maßgebliche Mitgestalterin einer Kultur, die es Anfang der 90er Jahre einfach noch nicht gab. Trotzdem ist sie eine Persönlichkeit geblieben, die polarisiert. Mit ihrer neuen Platte stellt sie ihr Publikum erneut vor die Wahl – und macht es niemandem leicht. Daß viele Leute allergisch auf Sabrina Setlur reagieren, mag nicht zuletzt am berüchtigten Frankfurter Vorstadt-Charme ihres musikalischen Ziehvaters Moses Pelham liegen. Klatschgeschichten von Handgemengen und eingeschlagenen Nasen sollen angeblich sogar den einen oder anderen Journalisten von einem Interview abgehalten haben.

Sabrina kann das alles nicht verstehen. Sie sitzt, ganz in Weiß, auf einem riesigen Sofa im Münchner Nobelhotel Bayerischer Hof und guckt so unschuldig drein, wie eine schöne, zierliche Frau nur gucken kann. Aber ihre Augen sind wachsam, jedes Wort wird abgewägt, jede Frage steht eine Weile im Raum. Sabrinas Antworten sind wohlüberlegt, ab und zu hebt sie mißtrauisch die linke Augenbraue.

„Schau mich doch an,“ sagt sie, „warum sollte jemand Angst vor mir haben? Ich bin nicht Moses, und Moses ist nicht hier. Ich bin zwar ein Teil der 3p-Family, aber ich habe meine eigenen Empfindungen und Meinungen, genauso wie Moses, Thomas oder Xavier ihre eigenen Meinungen haben und ihre eigene Musik machen. Man kann doch nicht alle, die bei 3p arbeiten, über einen Kamm scheren, bloß weil wir befreundet sind. Ich möchte meine neue Platte vorstellen, weiter nichts.“

Und die neue Platte birgt wieder Zündstoff. Obwohl insgesamt reifer und zum Teil sogar mit zarten Liebesbekundungen versehen, finden sich in den Texten immer noch genug Kraftausdrücke: In der „Scheiße“ tummeln sich „Schlampen“, „Folzen“ und „Ärsche“.

WENN SABRINA VERBAL AUSHOLT. HOLT SIE WEIT aus – das mag HipHop-Pose sein, Dissen aus Tradition, aber es klingt auch gerne mal verdächtig nach Profilneurose. Fühlt sie sich verfolgt von Neidern, oder schlägt sie nur zu, bevor andere ihr wehtun können? „Alles Quatsch“, sagt Sabrina, „ich weiß gar nicht, warum sich alle so über die Texte aufregen, das sind am Ende doch nur Worte. Manchmal entstehen die Songs eben so: Moses gibt mir ein paar Beats, und dann rappe ich los, und er wirft mir eine krasse Zeile hin, ich reagiere noch krasser, man schaukelt sich gegenseitig hoch. Klar geht das auch mal unter die Gürtellinie, aber hey – wir reimen doch nur. Ich kann dazu nur sagen: Wer sich von meinen Texten angesprochen fühlt, ist selbst schuld – und wird schon wissen, warum!“ Geschickte Argumentation, das muß man ihr lassen. Ja, nicht wahr“, freut sich Sabrina, „das hab ich von meiner Mutter gelernt. Die hat mich früher immer reingelegt, indem sie ganz unschuldig Geschichten über irgendjemanden erzählt hat. Und wenn ich dann sauer reagiert habe, hat sie mich mit großen Augen gefragt, warum ich mich jetzt angesprochen fühle.“ Tatsächlich aber läßt Sabrina in ihren Texten schon mal den einen oder anderen Namen fallen, Ricky etwa, oder Fanta 4 … „Oh Mann, das mußte ja jetzt kommen.“ Sabrina ist sauer: „Da liefere ich 14 Tracks ab, die mir total nahestehen, und die Medien stürzen sich ausnahmslos auf diese eine Zeile, in der ich noch nicht mal mehr sage, als daß mir Ricky und die Fanta 4 total egal sind. Die Presseleute wollen immer irgendwelchen Zoffanzetteln, aber das haut bei mir nicht hin.“

auch. Manchmal habe ich das Gefühl, die Leute wollen mich mißverstehen, deshalb heißt die neue Platte auch ‚Aus der Sicht und mit den Worten von… Sabrina Setlur‘. Ich sage weiter meine Meinung, drücke in Songs meine Gefühle aus.“ Bestes Beispiel: die neue Platte.

Tracks wie „Letzte Bitte“, ein wunderbarer Abgesang auf eine verflossene Liebe, lassen den rauhen Slang der Vorstadt links liegen und bieten jede Menge Identifikationsfläche. Da kommen Feelings rüber, und da möchte man doch gerne mal wissen, an wen diese „letzte Bitte , nämlich etwas über die Gründe des Scheiterns einer Beziehung zu erfahren, denn nun gerichtet ist. Kam da nicht irgendwo im Text das Wort „Freundeskreis“ vor? Hatte Sabrina etwa was mit Maximilian?

Fräulein Rap lacht sich beinahe tot: „Also, bevor jetzt irgendwelche Gerüchte entstehen: Nein! Ich hatte nie etwas mit Maximilian. Natürlich ist bei solch gefühlsbetonten Songs ein bestimmter Vorfall der Auslöser. Aber eigentlich schreibe ich meine Texte selten für eine Person. Sonst könnte ich den Namen ja auch gleich nennen. Nein, meist liegt der Anlaß, solche Texte zu schreiben, schon eine Weile zurück, und es geht mir nur noch darum, ganz bestimmte Gefühle in Worte zu fassen. Auslöserdafürkann so ziemlich alles sein, ein paar Beats, die mir Moses auf Tape rüberschickt, ein Geruch, eine Stimmung, ein altes Lied. Immer wenn ich etwas von Madonna höre, muß ich zum Beispiel an die Zeit denken, als ich 15 war und zu ihren Songs getanzt habe. Und damals wollte ich auch unbedingt so aussehen wie sie. Auch aus diesem Gefühl, der Erinnerung an meine Träume von damals, könnte ich einen Song machen. Die Anspielung auf den Freundeskreis hab‘ ich nur gemacht, weil die mal diesen tollen Song mit dem Eisbären hatten und ich die Idee mit ‚auf Eis liegen‘ weiterspinne. Das ist nur ein Kopfnicken in Richtung geschätzter Kollegen.“

Daß es noch mehr Kollegen gibt, die Sabrina schätzt, beweist der Song „Hija“, bei dem sie sich Cora E und Brixx als Gast-Rapperinnen ins Studio holte: „Eigentlich war das eine Idee von Moses, und ich fand sie gut. Moses hat ein paar coole Beats rausgekramt, dann wurden ewig Tapes hin und her geschickt, und jetzt rappt jede von uns eine Strophe.“

Mit dem Ergebnis ist Sabrina mehr als zufrieden: „Es ist ein toller Song geworden, und ich freu mich auf das Gesicht einiger Leute, die geglaubt haben, ich würde nie im Leben mit einer anderen Rapperin zusammenarbeiten. Das ist eines dieser Vorurteile, die über mich in Umlauf sind. Tja, Leute. Pech: Hier sind Cora E, Brixx und Sabrina Setlur – in ein und demselben Song!“