Sarah Kuttner – Die Kolumne


Schon vor über zehn Jahren ernteten Tocotronic begeisterte Zustimmung für den Indie-Schlager ‚Gitarrenhändler, ihrseid Schweine‘. Endlich machte sich jemand zum Anwalt der entrechteten Jungmusiker, die täglich von bezopften, Blind-Guardian-Shirts tragenden Gitarrenhändlern gedemütigt werden. Laut Aussagen musizierender Freunde hat sich an deren arroganter, von musikalischer Erfolglosigkeit genährter Oberlehrerei nichts geändert. „Wat machste denn für’n Sound?“ „Och, so Indierock.“ – „Hrn.“ Dialoge wie dieser seien bis heute bei jedem Musikantenladenbesuch an der Tagesordnung. Zum Glück hatte ich noch nie das Bedürfnis, mir eine Gitarre umzuhängen. Erstens sähe es doof aus, zweitens kann ich nicht Gitarre spielen. Drittens müßte ich auf eine extrakleine Sonderanfertigung zurückgreifen, was ich als erniedrigend empfände. Ich scheide somit aus der Gruppe derer, die sich von Gitarrenhändlern demutigen lassen müssen, aus. Vor drei Tagen war ich trotzdem, zwecks Anschaffung meines ersten eigenen Musikinstruments, in einer Musikalienhandlung. Ich trachtete danach, mir ein Tamburin zu kaufen. Nicht weil mir irgendwelche Mando-Diao-Soundalikes einen Job als menschliche Rassel angeboten hätten, sondern einfach aus purer Freude am Rasseln. Ich würde, so meine naive Vorstellung, allabendlich in Berlin von Indierockclub zu Indierockclub eilen, um, statt wie sonst nur doof in der Ecke zu stehen, geil abzurasseln. In der Tamburinabteilung zeigte man sich überhaupt nicht arrogant. Niemand versuchte mir überteuerte Exemplare aus Elfenbein in Form einer Axt oder irgendwelche Sondertamburine für Kleinwüchsige anzudrehen. Statt dessen beriet man mich kompetent und wünschte mir viel Glück bei meinem Vorhaben. Fröhlich rasselte ich von dannen und fing an, meinen Freundeskreis in die Faszination des Rasselns einzuführen. Um es kurz zu machen: Das Tamburin liegt mittlerweile wieder, von einer Staubschicht bedeckt, in meiner Wohnung. Schon am ersten Tag bin ich meinem Redaktionsteam mit meiner Rasselei dermaßen auf die Rassel gegangen, daß man mir – in Form des spontan gewählten Redaktionssprechers Sven Schuhmacher verdeutlichte, man sei nur dann weiter mit mir auszugehen bereit, wenn das verdammte nervige Kackding zu Hause bleibe.

Bitte! Von mir aus! Soll mir nur keiner mehr damit kommen, daß die Clubkultur am Boden liege und neuer Impulse bedürfe. Ich wäre bereit gewesen, die Welt nicht! Eine Form der Freizeitgestaltung, die derzeit hingegen für ungetrübte Freude bei Team und mir sorgt, ist das gute alte Brettspiel. Allabendlich versammeln wir uns in diversen Wohnungen und spielen „Monopoly“, bis das Brett brennt mittlerweile eine erweiterte, sehrsublimierte Form, bei der wir die Straßennamen mit Namen echter Straßen überklebt haben, um eine bessere Identifikationsebene zu schaffen. Die Schloßallee heißt jetzt „Road To Mandalay“, eine andere „Highway To Hell“. Irgendwann will man aber naturgemäß mehr. Neue Brettspiele erfinden! Impulse auf dem Brettspielrnarkt setzen und denen auf der „Games Convention“ zeigen, wo die Lunte lodert! Aber es ist unglaublich schwer, in die Brettspielentwicklerszene reinzukommen. Kontakte sind da alles, Vitamin B. Sie verstehen. Die wollen nix abgeben vom Brettspiel-Kuchen, die Damen und Herren Brettspielentwickler, die tragen die Nase ganz schön hoch. Bis man da mal durchgestellt wird zum Head Of Brettspiel Development, das dauert Ewigkeiten. Da gründe ich lieber doch noch meine Ein-Mann-Band „The Human Tambourine“ und ernte Szene-Applaus in Berliner Hinterhofclubs mit dem polterig gespielten, aber von Herzen kommenden Mini-Hit „Brettspielentwickler, ihr seid Schweine, so arrogante Schweine, daß ihr euch noch umgucken werdet“.