School’s Out


Die „Hamburger Schule' ist für Die Sterne längst Geschichte. Jetzt sind sie Big in Berlin.

Jetzt ist alles wieder gut. Frank Spilker, Sänger und Texter der Sterne, sitzt in der Küche der Kölner Dependance seiner Plattenfirma, trinkt eine Apfelschorle und wirkt entspannt. Vor einer Viertelstunde sah die Sache noch anders aus. Da guckten seine zwei Meter ziemlich bedröppelt aus der Wäsche: Der Zug aus Hamburg kam zwar pünktlich an, die Sterne waren aber nicht rechtzeitig da – ein Fehler im Terminplan. Spilker entschuldigt sich höflich. Eine neue Platte, allerhand Interviewtermine, die „Rockmühle“ dreht sich wieder, und dann auch noch zu spät kommen – nein, da kann der Lange gar nicht drauf. Aber Gott sei Dank gibt’s ja Apfelschorle. Und Apfelschorle macht Plauderlaune, zunächst einmal im Zusammenhang mit „Wo ist hier“, dem fünften Album der Sterne: „Da sind wir gerne mal poelisch. Wenn jemand fragt, ‚wo bist du?‘, und du antwortest ‚hier‘, dann ist natürlich die Frage: wo ist hier?‘ Es ging uns ums Nachforschen. Wo ist der eigene Standort, und bewegst du dich oder nur dein Drumherum?“

Trommler Christoph Leich – Getränk: ebenfalls Apfelschorle – ergänzt: „Dazu paßt der Song ‚Solangehierundunterwegs‘. Wir wollten den Bewegungsaspekt herausarbeiten und zeigen, daß unsere Musik durch die Bewegung definiert ist unterwegs sein, das ist es doch, oder?“ Für die Sterne auf alle Fälle. Beim Unterwegs-Sein haben sie allerhand erlebt: Vor Jahren spielten sie im Rahmen der PopKomm. Ein Konzert mit Heinz Rudolf Kunze, der sie prompt als die deutsche Beat-Hoffnung annoncierte. Eine nächste, willkürlich ausgewählte Station: „Widerschein“, ein Stück von der letzten Platte, wurde ein Radio-Hit in Österreich. „Ernsthaft“, beteuert Spilker.

Und nun sind die Sterne erstens vorübergehend in der neuen Hauptstadt und zweitens unter den Reglern eines alten Helden gelandet. „Big in Berlin“ heißt die erste Single von „Wo ist hier“, und abgemischt hat sie Edwyn Collins. Fürwahr eine prächtige Entwicklung: von Kunze über Österreich zu Collins, dem ehemaligen Vorsitzenden von Orange Juice. „Ein Mann von der Plattenfirma war früher Radiopromoter und kannte Collins aus dieser Zeit. So war’s ganz einfach, den Kontakt herzustellen. Ich bin mit Orange luice und Collins aufgewachsen, da hab‘ ich natürlich sofort ja gesagt.“ Eine weise Entscheidung. Bei „Big in Berlin“ fedem Baß und Schlagzeug gewohnt funky, dazu jingelt die Gitarre, die Orgel gibt sich quietschvergnügt – der Song ist Pop. Die Sterne und Pop? Frank Spilker gibt sich bescheiden: „Hoffentlich. Groove und Pop schließen sich ja nicht aus.“ Soviel ist klar: Berührungsängste kennen die Sterne nicht. „Diese Grenzen finde ich sowieso konstruiert Es gibt ja auch niemanden, der nur duscht oder nur badet. Im Grunde geht es doch immer nur um eine Sache – hier ist es das Musikmachen, da das Sauberwerden. Unsere Konfrontationen mit Leuten aus der Kölner House-Liga wie zum Beispiel Hans Nieswandt, der einen Remix von „Themenläden“ gemacht hat, waren immer spannend.“

„Genau“, gluckst Leich in seine Apfelschorle und setzt das i-Tüpfelchen auf die offene Grundhaltung der Sterne: „‚Hamburger Schule‘ ist für mich höchstens noch ein historischer Begriff.“ Von dem allerdings sind auch auf dem neuen Steme-Album die typischen Schlaumeier-‚lexte übriggeblieben. Frank Spilker erweist sich einmal mehr als Fachmann für den zuweilen holprigen Binnenreim: „Wir können das vermeiden, indem wir uns anders entscheiden“, heißt es in „Nichts wie wir’s kennen“. Spilker „Ich sehe mich eher als Meister des Halbreims: Beim Singen biege ich Sachen, die sich nicht ganz reimen, irgendwie hin.“ Ah ja. Synchron leeren Trommler und Sänger ihre Apfelschorle Ausgeplaudert.