Sony kauft CBS – Play it again, Yen!


Kurz und knapp stand's in der Zeitung: Sony kauft CBS. Doch die Auswirkungen sind gewaltig. Denn die Söhne Nippons, die Taschen voller Yen, haben Blut geleckt. Sind die Bastionen der Rockmusik bald komplett in japanischer Hand? Dr. Gonzo beschwärt bereits den Untergang des Abendlandes.

Nichts fürchtet der Durchschnitts-Ami mehr als leergefressene Hamburger-Gaststätten, zu Fuß gehen zu müssen und zu lange Hosen anzuhaben. Und jetzt das! Als würde es nicht reichen, daß Ronny dem Chef des „Reichs des Bösen“ das „Du“ anbietet, die Börse auf dem Zahnfleisch geht und der Dollar in den Keller abgedriftet ist – nein, jetzt müssen die Herren von CBS auch noch kiloweise Salz in die Wunden der „great nation“ streuen Haben sie sich doch nicht entdreistet. die CBS Records Group für schlappe zwei Milliarden Dollar an die Japaner, genauer gesagt: an die Sony Corp. of Japan, zu verkaufen.

Die Engländer, Franzosen oder Italiener, das wäre ja noch angegangen, obwohl die ja solche Marotten wie Teetrinken, Knoblauchfressen oder dolee vita und amore pflegen; aber die Japaner? Sind denn die CBS-Fritzen von allen guten Geistern verlassen worden? Haben die Pearl Harbour und die Schlacht um die Midway-Inseln vergessen? Oder haben sie gar in ihrer Sushi-Bar um die Ecke am Kugelfisch genascht? Anders ist solch verwerfliches Tun wohl kaum zu erklären.

Nun, da geschehen ist, was geschehen ist, stellen die Amis plötzlich erschrocken fest, daß von den sechs großen Plattenfirmen nur noch zwei – nämlich MCA Records und Warner Communications – in US-Hand sind. Und schon lauern Panasonic, Toshiba. Yamaha, Mitsubishi und wie die Companies aus dem Reich der aufgehenden Sonne sonst noch heißen schlitzäugig um die Ecke.

Doch vergessen wir einmal einen Augenblick das wirtschaftliche Szenario und richten unser Augenmerk auf jenen bedauerlichen Menschen, der da so sang- und klanglos an den Intimfeind vergangener Epochen verschachert wurde: den Künstler.

Nehmen wir z.B. den“.Boss“ Bruce Springsteen. Er, der jahrein, jahraus. Platte für Platte den „star spangled banner“ hochgehalten hat, der wie kein anderer die Produkte Detroits und die Straßen, auf denen man damit fährt, besang, soll der sich nun – und sei es nur zu den fast unvermeidlichen Werbezwecken – in einen winzigen Mazda quetschen und damit durch die chronisch verstopften Straßen von Yokohama zockeln? Soll er dem heißgeliebten Hamburger abschwören und stattdessen Frühlingsrollen mummeln? Und wie steht’s mit dem Besteck? Verlangt man nun von ihm, fortan auf Messer und Gabel zu verzichten, um einen aussichtslosen Kampf mit hölzernen Stöckchen in Schüsseln mit glitschigen Nudeln und pappigen Reiskörnern zu führen?

Bei allem, was man von der Musik des Meisters halten mag. das darf man dem Mann nicht antun.

Schließlich war und ist er der Exportartikel der Vereinigten Staaten.

Aber so sind die Amis nun mal. Für schnöden Mammon würden die glatt die Freiheitsstatue an Fidel Castro verscherbeln. Und die ersten Verfalls- oder Auflösungserscheinungen hat man ja schon registrieren können, als beispielsweise Ray Charles und Stevie Wonder für Kameras und Videorecorder aus Nippon Reklame machten.

Gut, den beiden Herren kann man zugute halten, daß sie nicht genau wußten, was sie da taten, denn sie lesen nun mal keine Zeitung. Sonst hätte sie sicher diese Meldung (entnommen der „taz“) stutzig gemacht: „Die Forschung in Japan führt … in die Zukunft. Schalldichte Kabinen für den privaten Gebrauch, schon seit Jahren auf dem Markt, haben in diesem Jahr Rekordabsätze erzielt. Die Größen reichen von einem Quadratmeter, so daß höchstens ein Flötenspieler darin üben kann, bis zur Luxusausgabe, in der man zwei Reisstrohmatten von 180 mal 90 Zentimeter nebeneinander ausbreiten kann. Ein besonders leiser Ventilator sorgt für Luftzufuhr“.

180 mal 90 Zentimeter. Reisstrohmatten. Ventilator … Na, meine Herren, haben Sie das Bild in all seiner fernöstlichen Kargheit? Vorbei die Tage, da man sich in einer gigantischen Luxussuite auf dem Kingsize Bed räkeln konnte und die unhörbare Klimaanlage für konstante 19 Grad Celsius sorgte. Mal von den knackigen Groupies und den Drogen en masse ganz zu schweigen, denn in Japan hält man wenig von Promiskuität und gar nichts von Drogen! Dafür schätzen die Preußen des Fernen Ostens jedoch absoluten Gehorsam und Pflichterfüllung, Pünktlichkeit und Ordnung und frönen einem Ehrenkodex, der – man erinnere sich nur an die Kamikaze-Flieger – die Selbstaufgabe fürs Valerland als begrüßens- und achtenswert hält.

Is‘ also in Zukunft nix mehr mit Tournee absagen, weil angeblich die Kehle wund, in Wahrheit aber der Vorverkauf schlecht gelaufen ist. Irgendein Mr. Yamamoto wird schon auftauchen, einen freundlichen Diener machen, ein noch freundlicheres „Hay“ murmeln und garantiert Mittel und Wege kennen, um unseren eingebildeten Kranken auf die Bühnenbetter zu bekommen.

Das alles wäre ja noch zu verkraften, würde sich nicht qualvoll im Hinterkopf die Frage melden, über was unsere geliebten Stars denn in Zukunft singen wollen. Über die unergründlichen Mandelaugen einer Schönen aus Kyoto? Oder etwa über die unnachahmliche Fahrt in einem Honda Civic auf der überfüllten Autobahn von Kobe nach Nagoya? Oder vielleicht über den üblen Kater nach dem Genuß mehrerer Flaschen lauwarmen Reisweins? Nee, liebe Stars, da habt ihr euch ganz schön mit dem Eßstäbchen geschnitten.

Schlimm genug. Aber noch schlimmer ist, daß wir diese aussagekräftigen Verse unserer Lieblinge nicht mehr werden lesen können, denn sie werden in japanischen Schriftzeichen gedruckt sein. Oder erwartet man von uns, daß unsere Liebe so weit geht und wir nun kollektiv Nipponesisch lernen?!

Schluß mit diesen Horrorvisionen! Die Kirche muß im Dorf bleiben und die Rockmusik made in USA in den USA! Bieten wir der gelben Flut Paroli! Wie das zu tun ist? Nun, wir organisieren ein Aid. Ein Japan-Aid. Wenn alle Fernsehstationen brav mitmachen – die japanischen natürlich ausgeschlossen – dann werden wir den Nakamishis, Mitsubishis und Subarus wohl unmißverständlich klarmachen können, daß wir zwar liebend gern ihre Stereoanlagen, Fernseher, Videorecorder und – wenn’s unbedingt sein muß – auch ihre häßlichen Kleinwagen kaufen, aber nicht bereit sind, unsere Stars für schnöden Mammon zu verkaufen! Zu irgendetwas muß die vielbeschworene westliche Allianz doch nütze sein.

Doch malen wir den Teufel nicht voreilig an die Wand. Solange „Uns Udo“ nicht den Sonderzug nach Sapporo besteigen und dem Tenno eine seiner Lederjacken schicken will, können wir’s uns ruhig auf unserem Futon gemütlich machen und uns den letzten King-Kong-Film auf unserem Sanyo-Fernseher reinziehen.

Sayonara, sagt Euer Dr. Gonzo.