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Tal der Wölfe; Kleiner Film, große Wirkung: Weil türkische Jugendliche in Berliner Kinos klatschten, als der türkische Held beim Irak-Einsatz den bösen Ami tötet, lief die wegen des Karikaturenstreits überempfindliche Empörungsmaschine heiß. Intensiv wurde debattiert, über Altersfreigaben und Verbote, über kulturelle Grabenkämpfe. Dabei begriff keiner, dass tal der Wölfe in der Türkei ganz anders rezipiert wurde. Und dass er vor allem eins ist: ein durch und durch nach US-Muster gedrehter Actionfilm und als solcher nicht viel danebener als etwa RAMBO II.

Techno, der, das Techno-Revival (ja, ja, Techno war nie weg; wir meinen das Detroit-Techno-Revival) wird alle Jahre wieder vorausgeahnt (s. -> Prog). 2006 sah es aber wirklich danach aus, als käme der straighte 4/4-Bumms zurück. Hell, Patrick Pulsinger, Kid 606, Remute, Aphex Twin etc. streckten ihre Fühler aus in Richtung Detroit circa frühe 90er, wenn sie nicht schon da waren wie der Wunderknabe Jimmy Edgar. Allgemein war in der segmen tierten Welt des Underground nach dem Indie-Hype der letzten Jahre eine Fluchttendenz der elektronischen Musik aus den Expertenghettos zu erkennen. Schuld waren Crossover-Projekte wie Hot Chip und LCD Soundsystem.

Thiessen, Peter; Kante-Chef; siehe S. 77 Tiere um uns, die; Überall Tiere um uns in 2006. Während in der Realität draußen ausgestorben wird, dass es eine Art hat (Tiger, Weltgesamtfischbestand etc.) war die Tierwelt dieses Jahr im Fokus der Popkultur wie selten, meist aufgeladen mit einem eskapistischen Heile-Welt-Nimbus. Myriaden von lustigen Nagern in -> CGI-Trickfilmen, „Tiere, wie man sie noch nie gesehen hat“ in der gehypten, visuell beeindruckenden, aber reißerischunwissenschaftlichen BBC-Dokureihe „Planet Erde“. Das-Tier-von-nebenan-Anekdoten im boomenden Zoo-TV. Das Reality-Soap-Drama um de Bären Bruno. Und zig Tiger, Löwen, Grizzly Bears, Hund Maries, Katzen, Vögel, Arctic Monkeys, Dachse, Waschbären, Frettchen etc. auf Albumcovern, in Videos, Songtexten, Bandnamen etc. Am interessantesten war die augenfällige Koinzidenz, dass zwei der wichtigsten deutschen Songtexter Tiere (und Natur generell) in den Mittelpunkt der lyrischen Konzepte ihrer neuen Platten stellten. Kantes DIE TIERE SIND unruhig trägt die allegorischen Viecher schon auf Titel und Coverbild, Blumfelds verbotene fruchte wimmelt vor Tier- und Naturmetaphorik. Und auch in den Texten von Joanna Newsoms ys tummelt sich eine ganze Allegorie-Menagerie.

Tokio Hotel; dass diese auf den Punkt designte Mischung aus The Rasmus, J-Rock und leidenschaftlich dargebotener Altklugheit kein explizit deutsches Produkt ist, war leidlich analytischen Kennern der Materie „Pop“ schon am Anfang der Karriere von Tokio Hotel nicht verborgen geblieben. Aber dass die Magdeburger Buben tatsächlich in der Lage wären, auch über Deutschland hinaus dieser Aufgabe erfolgreich nachzugehen, hätte man nicht gedacht. Ihr Debüt SCHREI schoss im September in Frankreich auf Platz 19 – der größte Sprung einer deutschsprachigen Band in den Charts des Nachbarn. Nach einem ausverkauften Gig in Moskau im November wird die Band im kommenden Jahr auf Osteuropatour gehen. (OGÖ) Top Of The Pops; am 30. Juli wurde die berühmteste und langlebigste TV-Popshow der Welt im Vereinigten Königreich zum letzten Mal ausgestrahlt. Schon im März hatte der deutsche Lizenznehmer RTL die Show abgesetzt. Sinkende Einschaltquoten besiegelten nach 42 Jahren das Schicksal des Formats. Beobachter sehen im Tod der Serie, bei deren Start am 1. Januar 1964 u.a. die— Beatles und die —Rolling Stones aufgetreten waren, ein Fanal für die Krise des —- Musikfernsehens.

Totenschändung, die; welche – Killerspiele daran wohl wieder schuld waren? Anfang Mai wurde in einem Wald im Landkreis Traunstein ein grotesk verstümmelter Toter entdeckt – bald flog eine Gruppe Teenager auf, die in der Nacht zum 1. Mai herumstromernderweise die halbverweste Leiche eines Selbstmörders gefunden und im besoffenen Exzess malträtiert hatten. Der Aufschrei über den so bislang einmaligen Fall von Totenschändung, über die scheints galoppierende Verrohung „unserer“ Jugend, war bundesweit. Und ja: Man darf in der Tat fragen, was da bloß immer mehr schief läuft. Allerdings nicht so blöd wie acht Monate später beim „Totenschädelskandal“ (noch boulevardig-doofer verkürzt: „Schädelskandal“). Deutsche Soldaten in Afghanistan hatten mit Skelettteilen von Toten weitgehend unbekannter Pro venienz geschmacklose „Spaß“-Focos geschossen, die nun tagelang die Seiten der moralische Entrüstung heuchelnden Bild-Zeitung füllten. Ermittlungen wurden eingeleitet, Unmengen von Stammtischsenf dazugegeben. Eine schlimme Sache, oh ja, aber als Beobachter war man schnell die Gleichsetzung dieser vergleichsweisen Bubenstreiche mit den Folterungen in Abu Ghraib leid. Wenn die ganz „normalen“ Umtriebe von Neonazis hierzulande, wenn die Menschenrechtsverletzungen auf dem Archipel Guantanamo so viel Aufregung generieren könnten, das wäre schön. Da geht es nämlich um die Schändung von- Achtung, wichtiger Punkt – lebenden Menschen, (jols).

Trinwillershagen; Gemeinde im Landkreis Nordvorpommem; 1366 Einwohner. Dem Wahlkreis von Bundeskanzlerin Angela Merkel zugehörig. Berühmt geworden durch den * erfolgreichsten Deckhengst der DDR-Ge-J schichte namens „Kolibri“ sowie durch die ™“teuerste Grillparty der Welt“.