Taylor Swift & die Liebe: So war die „Official Release Party of a Showgirl“
Wie ist Swift zu den Ideen für die Tracks von THE LIFE OF A SHOWGIRL gekommen? Beim Kino-Event gibt es Einblicke
Denjenigen, die am Freitag, den 3. Oktober, das Multiplex-Kino CinemaxX am Berliner Potsdamer Platz betreten, bietet sich ein folgendes Bild: Frauen in pinkfarbenen, glitzernden Jacken, ebenso viel Glitzer im Gesicht, Cowboystiefel in unterschiedlichen Farben und Formen, und eine Gruppe von Mädchen, die am Eingang Freundschaftsarmbänder austauschen. Hört sich nach Swifties an? Genau! Schließlich steht dieser Kinoabend ganz im Zeichen des US-Megastars Taylor Swift, die am selben Tag ihr zwölftes Studioalbum herausgebracht hat und dies mit ihren Fans über drei Abende mit Release-Partys weltweit in Kinosälen feiern will.
Und so tummeln sich in den Gängen des Lichtspielhauses eine Gruppe mehrheitlich weiblicher Fans in Tour-Shirts der „Eras“-Tour – Swifts jüngster Welttournee, die nicht nur sämtliche Kassenrekorde brach, sondern auch gleich Inspiration für das neue Album THE LIFE OF A SHOWGIRL bot. „Das Album ist ein absoluter Banger“, ruft eine junge Frau ihren Freundinnen zu, als sie ihre Plätze im Kinosaal suchen. Während der „Official Release Party of a Showgirl“, die nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA, in Großbritannien, Frankreich, Irland, der Schweiz, Österreich, Belgien, den Niederlanden, Luxemburg, Schweden, Norwegen, Finnland und Dänemark zu sehen ist, zeigt Swift die Premiere des Musikvideos zum ersten Track auf dem Album „The Fate of Ophelia“ und erklärt den Fans, was hinter den zwölf Songs der Platte und deren Lyrics steht.
„Kunstgeschichte für Popfans“
Als endlich die Lichter gedimmt werden und ein Bild vor den nicht gänzlich gefüllten Kinositzen aufflackert, gehen erwartungsvolles Raunen und entzückte Schreie durch die Menge. Das Musikvideo zu „The Fate of Ophelia“, mit dem der Filmevent einsteigt, findet mit seiner aufwändigen Produktion und seiner farbenprächtigen, Performance-lastigen Tanzhandlung einen würdigen Platz auf der Kinoleinwand. Reich an Farben, Federn, Perlen, Glitzer und Bühnenbildern wirkt das Musikvideo wie ein nostalgisches Erinnerungsbad eines zeitlosen, unsterblichen Popstars.
Swift tanzt, begleitet von einer Tanzgruppe, die Fans schon von der „Eras“-Tour kennen, durch die verschiedenen Ären der Popkunst, bis sie, zahlreiche Outfits und Stilbilder später, im Hier und Jetzt ankommt. „Das Video ist eine Reise durch die verschiedenen historischen Phasen eines Showgirls“, erklärt Swift den Fans im Film. „Es erzählt über die Jahrhunderte die Geschichte dessen, was es heißt, im Auge der Öffentlichkeit zu stehen, und führt am Ende zurück zum Bild des Albumcovers. Es ist Kunstgeschichte für Popfans.“
Nahbar, persönlich und mit einer guten Prise Humor bietet Swift ihren Fans durch den Kinofilm Einblicke in die Entstehung des Videos und des Albums und erklärt, was hinter jedem Song, hinter jeder Idee steckt. Sie kennt ihre Fans schließlich gut genug, um zu wissen, dass Swifties nach Einblicken in die Gedanken- und Gefühlswelt des Popstars geradezu hungern. Als im Folgenden jeder Track des Albums mit eingeblendeten Songtexten vorgestellt und von Swift kommentiert wird, können viele der Kinobesucher:innen bereits textsicher mitsingen – nur 15 Stunden nach der Albumveröffentlichung.
Schmiedin ihres eigenen Glücks
In „Elizabeth Taylor“, so sagt Swift über den zweiten Song auf dem Album, „geht es halb um eine fiktive Geschichte, halb um meine eigene. Es geht um Berühmtheit, Aufmerksamkeit, Notorietät, und die Angst, dass das alles nicht für immer ist.“ Das Lied ist nach der gleichnamigen Hollywoodikone benannt, die sowohl für ihre Weltkarriere als auch für ihr stürmisches Liebesleben bekannt war. „Ihre Geschichte hat Parallelen zu meiner. Und die Produktion des Songs ist luxuriös, feminin und gleichzeitig hart, ich liebe es.“
Der Track „Opalite“, so Swift, referenziert die Tatsache, dass Opalit von Menschen gemachter Opal sei. „Es ist eine Metapher dafür, dass du der Schmied deines eigenen Glücks bist. Ein menschengemachter Juwel versinnbildlicht, dass uns Glück nicht einfach passiert, sondern wir es hart erkämpft haben.“
Einen zentralen Platz auf dem Album belegt danach der Stück „Father Figure“. Ihn hat Swift auf einer Zeile von George Michaels 1987er-Hit „Father Figure“ aufgebaut. Sie habe den Ausschnitt in Absprache mit Michaels Nachlass als kreativen Prompt genutzt. Daraus sei eine Geschichte über Macht, Veränderung und Verrat geworden. „Es geht um die Beziehung zwischen einem jungen Talent und einem Mentor und die Frage, wer von ihnen am Ende gewinnt. Ich kann mich in beiden Charakteren wiederfinden“, sagt Swift. Sie betont, die Zusammenarbeit mit Michaels Nachlassteam sei respektvoll und großartig verlaufen.
„Man muss sich eingestehen, dass man sehr wohl jemanden braucht“
Auf „Father Figure“ folgt „Eldest Daughter“ – ein Konzept, mit dem sich Swift eigenen Angaben zufolge viel auseinandersetzen würde. „Älteste Töchter erleben oft dieselben Gefühle und Erfahrungen. Sie suchen ständig nach Perfektion. Und das in einer Kultur, wo es nur darum geht, cool und sexy zu sein, aber gleichzeitig machtvoll und gleichgültig und beschäftigt. Niemand will im Internet notgeil herüberkommen. Niemand will so wirken, als bräuchte er jemanden“, erklärt Swift. „Der Song will diese Maske herunterreißen. Ich bin nichts davon. Man muss sich erlauben, sanft zu sein und ehrlich – und sich eingestehen, dass man vielleicht sehr wohl jemanden braucht.“
Das Lied „Ruin The Friendship“ sei eine – für Swift übliche – Erinnerung an die Schulzeit. Er stelle die Frage, ob man nicht als Jugendliche mehr Mut hätte zeigen dürfen. Er spiele also auf Erfahrungen an, in denen man sich aus Sorge vor den Folgen zurückgehalten habe. Rückblickend frage der Song, was man denn zu verlieren gehabt hätte, hätte man sich einfach getraut. „Alles fühlt sich in der Schule so bedeutsam an. Aber es wäre doch okay gewesen. Ich war in der Schule immer so diszipliniert. Aber was, wenn ich einer Person einfach gesagt hätte, ich mag sie? Dann wüsste ich es wenigstens. Es war alles gar nicht so dramatisch.“
Auch Hass ist Aufmerksamkeit
„Actually Romantic“ präsentiert die humorvolle, sarkastische, verspielte Seite Taylor Swifts. Der Track handele von dem Aufwand, den jemand zeige, um Swift klarzumachen, dass er oder sie Swift und ihre Musik hasse. Dabei sei dieser Aufwand und diese Obsession mit Swift beinahe noch besser als ein Liebesbeweis, witzelt sie. „Ich denke nicht einmal über dich nach, und du steckst all diese Arbeit hinein, um mir zu zeigen, wie sehr du mich hasst. Danke für die Mühe! Aufmerksamkeit ist Zuneigung und du gibst mir sehr viel davon, wie süß“, sagt die Musikerin grinsend in dem Film. Fans hatten derweil gemunkelt, das Stück beziehe sich auf Charli xcx.
Es folgt der Song „Wi$h Li$t“, in dem Swift singt, dass ihr alles egal sei, Hauptsache, ihr Wunsch gehe in Erfüllung – die Liebe. „Wood“ wiederum handele von „alltäglichem Aberglauben“.
Gegen soziale Entrüstung
An dem zehnten Platz auf der Album-Tracklist steht „Cancelled!“, in dem Taylor Swift ihre rebellische Seite in den Vordergrund rücken möchte. „Es geht um die soziale Wut, die jedem manchmal entgegenschlägt, nicht nur, wenn man eine Person des öffentlichen Lebens ist. Man kann sich von jeder Form des sozialen Gegenwindes gecancelt fühlen“, meint die 35-Jährige. „Ich erlebe sehr viel Diskussion über alles, was ich tue. Und es hat mich weiser gemacht. Ich urteile definitiv weniger, seit ich ständig unter dem Mikroskop bin. Ich habe gelernt, das Einzige, was für mich zählt, um dich zu beurteilen, sind deine Handlungen.“
Auf „Cancelled!“ folgt „Honey“. Der Track erzähle davon, wie Begriffe wie „Honey“ oder auch „Sweetheart“ in ihrer Erfahrung meist als kulturelle Waffen eingesetzt worden seien, als hasserfüllte oder verniedlichende Bezeichnungen. Das habe sich geändert, als jemand in ihr Leben getreten sei, der diese Worte erstmals positiv besetze und mit Liebe und Respekt verwende.
Der letzte Song auf dem Album ist der titelgebende „The Life Of A Showgirl“ mit Sabrina Carpenter. Wie Swift ihren Fans im Kinofilm erklärt, drehe sich das Stück um das fiktive Showgirl Kitty. Die trifft ein Mädchen, das von ihr so begeistert und inspiriert ist, dass sie eine ähnliche Karriere einschlagen will. Doch Kitty warnt: Das ist ein hartes Business, du bist viel zu sanft und gutherzig für das Showgirl-Business. „Das habe ich selbst sehr oft gesagt bekommen“, sagt Swift. „Ich habe Sabrina ausgesucht, mit mir dieses Lied zu singen, weil sie mehr als jede andere für diese Karriere geschaffen ist. Sie widersteht sozialem Hass und hat das richtige Temperament, um Kritik als Antrieb zu nutzen. Sie hat so eine Liebe für dieses Spiel, dass sie stärker ist als die Tatsache, dass das Leben als Showgirl unfassbar hart ist“, erzählt Taylor Swift.
Eine Tragödie mit Happy End
Zu guter Letzt, nachdem Fans die Produktion des Videos zu „The Fate Of Ophelia“ nachverfolgen und es noch einmal in Gänze sehen konnten, spricht Swift noch mal über Ophelia. „Ich liebe die Tragödien Shakespeares. Ich liebe ihre Charaktere so sehr, dass es mir wehtut, wenn sie am Ende sterben.“ Und weiter: „Also dachte ich mir, was, wenn sie am Ende nicht sterben? Sondern heiraten? Die Leute konnten Ophelia in den Wahnsinn treiben – aber nicht mich.“
Die Berliner Fans verlassen den Kinosaal mit neuen Einblicken in die Gedanken und Gefühle ihres Lieblingsstars. Das Video zu „The Fate Of Ophelia“ hat viele beeindruckt, hört man aus dem Gemurmel heraus, als die Kinobesucher:innen zurück in die Eingangshalle strömen. „Das Album war inspiriert von der besten Zeit meines Lebens, weil ihr Fans die ‚Eras Tour‘ zu dem gemacht habt, was sie war“ – mit diesen Worten schließt Swift am Ende des Kinofilms. „Ihr habt mein Leben aufleuchten lassen. Ich habe diese Liebe internalisiert und zu einem Album gemacht.“



