Terence Trent D’Arby


Das Zeitalter des „Neuen Mannes“ hat bei ihm wenig Spuren hinterlassen. Das wird mir klar, als der zerslreute Professor versucht, uns in der Küche seiner eleganten Wohnung im Londoner Nobelviertel Knightsbride einen Kraulertee zu kochen. Hoffnungslos. Wasserlachen überall. Terence schiebt die Schuld auf den Teetopf, verschwindet ins Schlafzimmer und überläßt es mir, zwischen den Resten des vegetarischen Abendessens von gestern und einem beeindruckenden Sortiment von Körnern und Vitaminpillen so etwas wie Ordnung zu schaffen.

Wenn es häuslich wird, sucht Terence – er besteht darauf, daß seine Freunde ihn T nennen – schleunigst das Weite. T selbst sieht das natürlich etwas anders. Seiner Meinung nach ist die Unfähigkeit, mit praktischen Dingen zurechtzukommen. ein Privileg des Künstlers.

Wovon er zum Beispiel Silvester vor zwei Jahren Gebrauch machte, als seine Freundin, Stylistin Mary Vango, die gemeinsame Tochter Seraphina zur Welt brachte. Terence und Mary, ehemaliges Model und mit 36 in der richtigen Altersklasse für T (der laut eigener Aussage ein Faible für ältere Frauen hat), halten sich 1988 bei Video-Aufnahmen getroffen. Wenig später war Mary schwanger.

Geburtsvorbereitung? Glücklicherweise, so Terence, sei er eine sehr instinktbegabte Natur, lästige Extras wie Mutter/Vater-Kurse habe man sich also schenken können. „Ich glaube, wenn man sehr sensibel, sehr intuitiv ist“, sagt er, „braucht man diese Sachen nicht. Sie sollen einen nur zu einem eigentlich natürlichen ‚Zustand zurückführen“. Statt dessen wurde pränatale Kommunikation gepflegt. „Ich redete mit ihr, und Man spielte ihr mein erstes Album vor. Schließlich mußte sie wissen, mit wem sie es zu tun hat.“

Ursprünglich war eine sanfte Gehurt geplant – wenn es nach T gegangen wäre, hätte sieh das Ganze in einem Wassertank mit einem Delphin als Hilfs-Hebamme abgespielt – aber aufgrund von Komplikalionen wurde Seraphina schließlich per Kaiserschnitt geholt.

Terence, ganz unbekümmerter Rockstar, betrat den Kreissaal mit Ghettoblaster und einem Sortiment James-Brown-Cassetten. Als erstes legte er sich mit dem Oberarzt an. der sich erdreistet hatte, ihn zum Ablegen seines Hutes aufzufordern. Bald war man ihn sowieso los, denn unglücklicherweise kann der sensible Terence kein Blut sehen. „Sobald Mary unter Narkose war, rannte ich raus und versuchte, nicht ohnmächtig zu werden. „

Als er wieder zurückkam, hatte Seraphina Simone Frances Christina D’Arby bereits das Licht der Well erblickt. „Solch einen Moment kann man nicht beschreiben“, sagt er. Baby Seraphina („der Name klang so schön und Seraphim bedeutet Engel“), nur fünf Pfund schwer und einen Monat zu früh dran, verbrachte die nächsten 48 Stunden auf der Brust ihres Vaters. „Sie versuchten, sie mir wegzunehmen“, sagt T. „aber ich schaute sie an, als ob sie nicht ganz sauber wären. Später sagte mir der Doktor, meiner Körperwärme wäre es zu verdanken gewesen, daß sie nicht in den Brutkasten mußte und keine Gelbsucht bekam. Ich war sehr stolz.“

T beschreibt Mary, die er augenscheinlich geradezu anbetet, als „eine An Bohemienne mit griechischem Bim“. Eine vielversprechende Mischung, um mit T’s legendären Exzessen fertigzuwerden. Vater Terence begann allerdings mit den besten Vorsätzen. Was nicht lange anhielt. „Beim Wickeln hört es auf, gesteht er. Schmutzige Windeln stehen auf T’s Beliebtheitsskala ebenfalls sehr weit unten. Um genau zu sein: Er hat noch nie eine in der Hand gehabt. In solchen Momenten verweist Terence praktischerweise auf seinen Künstler-Status. „Ich bin eine extreme Persönlichkeit“, sagt er, „womit ich nichts entschuldigen will. Aber wenn ich an etwas nicht interessiert bin, mache ich es einfach nicht.“

Auch anderweitig hat sich Terence an der Hausmanns-Front wenig hervorgetan. „Ich denke, der ‚Neue Mann‘ versucht, sich das Recht auf ‚Emotionen und intensive Kommunikation zu erobern, das Frauen schon immer halten. Das war für mich nie ein besonderes Problem. „

Wenn man ihn jedoch nach profanen Dingen wie Kochen und Einkaufen fragt, gerät er ins Schwimmen – und weiß das auch. „Ich hatte immer ein sehr beschütztes Leben. Ich weiß, daß mit mir kein Staat zu machen ist“, gibt er zu. Als Kind wurde er von seiner Mutter verhätschelt, während des Studiums an der Florida University teilte er sich die Wohnung mit seinem Cousin, einem Football-Star – auch dort also kein Mangel an hilfsbereiten weiblichen Wesen. In der Armee schließlich konzentrierte er sich aufs Boxen, das Essen kam ganz von alleine auf den Tisch.

Das Leben hat Terence, den Sohn eines Pastors und einer Gospel-singenden Mutter, nie hart angefaßt – beste Voraussetzung für die Entwicklung einer zarten Seele. „Bis vor kurzem lebte ich nur dafür. Künstler zu sein“, sagt er. Und Künstler sind schließlich keine gewöhnlichen Sterblichen. „Ich bin ein Luft- und Meer-Mensch. Die meiste Zeit verbringe ich in ganz anderen Welten. „

T erzählt von anderen, ernsteren Konsequenzen seiner stark religiös gefärbten Kindheit. „Vor etwa zwei Jahren bekam ich plötzlich Asthma. Mir wurde klar, daß ich in meiner Kindheit nie die Möglichkeil gehabt hatte, meine Meinung zu sagen, mir Luft zu machen. Als ich anfing, die Leute davon zu informieren, wenn ich sie für bescheuert hielt, verbesserte sich mein Zustand beträchtlich.“

DÄrby ist ein großer Anhänger von Astrologie. Auren. Reinkarnation und allem möglichen New-Age-Geklingel – und natürlich Health-Food-Fanatiker. „Ich esse keine Milchprodukte, nur Vollkorneizeugnisse, keinen Zucker, kein rotes Fleisch, nur Fleisch von freilaufendem Geflügel.“ Er ist stolzer Besitzer eines Anti-Streß-Wassertanks, weist eindringlich darauf hin. keinen Mikrowellenherd zu besitzen, und läßt sich alle zwei Jahre sein Horoskop stellen.

„Musiker haben ihre eigenen Maßstäbe“, erklärt er. „Als Star lebst du in einer anderen Well. Ein Horoskop ist wie eine Landkarte, es illustriert deine Überzeugungen und hält dich davon ab. auf der Suche nach Antworten wie ein kopfloses Huhn in der Gegend herumzurennen. Es kann dir dabei helfen, einen Zustand der Verwirrung als gegeben zu akzeptieren.“

Angesichts der Verwirrung, die bis vor kurzem in seinem Leben herrschte, waren Horoskope wohl unverzichtbar. Doch jetzt sind Veränderungen in Sicht ….. Ich habe eine Metamorphose durchgemacht. Mein Saturn kehrt zurück, ich werde wiedergeboren.“

T’s Problem – nichts Neues in der Welt des Showbiz – bestand darin, daß er felsenfest an seinen Superstar-Status zu glauben begann und diese Kunstperson auch privat nicht mehr loswurde. „Ich war gefährlich nahe daran, mich selbst so zu sehen, wie die Öffentlichkeit mich sah. Ich konnte nicht mehr unterscheiden zwischen meinem wahren Ich und Terence Trent D’Arby, dem Superstar.“

Verteidigungsinechanismen und Nervosität waren die Begleiterscheinungen dieses schmerzhaften Zustands. Mittlerweile kann seine Umgebung aufatmen, denn „ich fühle eine Bewegung in meinen Planeten, orientiere mich neu und bin bereit für das nächste Kapitel.“

1987 müssen sich Ts Planeten auf einem merkwürdigen Kurs befunden haben. Damals war er 25 und sprang mit seinem Debütalbum geradewegs ins Rampenlicht: INTRODUCING verkaufte sich sieben Millionen mal. D’Abrhy. schnell angeödet von dem ihm anhaftenden Designer-Label, bemühte sich verzweifelt, ein deutlich anderes zweites Album abzuliefern. Was ihm schließlich mit NEITHER FISH NOR FLESH auch gelang einem Stück kantig-kunstvoller Rebellion in der Prince-Tradition. Aber trotz T’s großmäuliger Absichtserklärungen blieb FISH wie Blei in den Regalen liegen. Man sollte nicht dem Irrtum verfallen, dies sei für D’Arby zweitrangig: Er nimmt seine Musik, seine Karriere und seine Person geradezu tödlich ernst.

Seine Wohnung spiegelt DÄrbys Charakter offensichtlich wider: Alles ist sorgsam arrangiert – Bücher, Tapes, Klavier und Gitarre.

„Ich bin sehr ordentlich“, sagt er und wirft die berühmten Zöpfchen zurück, eine der am häufigsten verwendeten Vokabeln in seiner Körpersprache. Eigenschaften wie eitel, arrogant oder humorlos erwähnt er interessanterweise nicht. Im Gespräch ist er fast durchgehend bierernst – vielleicht auf das in seinen Adern kreisende Indianerblut zurückzuführen -, ganz selten kommentiert er seine Selbstverliebtheit mal mit einem Quentchen erfrischender Ironie.

„Ich denke zuviel darüber nach, was mit mir nicht in Ordnung sein könnte“, sagt er. T’s berüchtigte Begeisterung für die eigene Person ist anscheinend nicht so sehr Egozentrik als vielmehr totale Hingabe an die schwere Aufgabe. Terence Trent D’Arby zu sein – Künstler, Musiker, Vater, Partner, in dieser Reihenfolge.

„Ich bin nicht besessen von mir selbst. Ich bin besessen von meiner Besessenheit. Wenn es um Geld oder materielle Dinge geht, bin ich nicht selbstsüchtig, obwohl ich dir meine Van-Morrison-Platten nicht leihen würde. Aber ich bin knauserig mit meiner Zeit.“ Mit anderen Worten, ein schwieriger Teufel. Ja, aber nie langweilig“, lacht er.

„Oft klinke ich mich von einem Moment zum anderen einfach aus. Du sagst etwas, das interessant klingt, und schon höre ich Musik dazu. Es ist, als ob du ständig mit einer Empfangsantenne herumläufst.“

Gut und schön, aber wenn das Baby gerade Hunger hat? Man komme T nicht mit solchen Argumenten.

„Hör mal, das ist genau der Grund, warum es manche Leute im Showbusiness so schwer haben“, ereifert er sich, „wir sind einfach ein anderer Menschenschlag. Wer damit klarkommen will, braucht eine Menge Toleranz. “ Arme Mary.

Die Lösung, so meint Terence, ist Ehrlichkeit. „Der Entschluß, mir selbst nichts mehr vorzumachen, war einer der Wendepunkte in meinem Leben. “ Zu dieser Politik der uneingeschränkten Offenheit gehören auch seine außerhäuslichen erotischen Aktivitäten. Sexuellen Abenteuern scheint Monsieur D’Arby weiterhin nicht abgeneigt zu sein. „Die meisten Männer sind so. Ich bin nur so ehrlich, es zuzugeben. Wenn Männer Lust auf Sex haben, nimmt ein anderes Bewußtsein von ihnen Besitz. Erotik gehört nun mal zu meiner Persönlichkeit, ich habe Schwierigkeiten, monogam zu sein. Wenn ich mit dir flirten würde, wäre das halb ernst, halb Spiel. Aber tief drinnen fühle ich mich immer noch als der kleine, dürre Junge, den sie immer verprügeln. „