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„The Silence“-Kritik: Überleben in einer Welt, in der jedes Geräusch dich töten kann – manchmal


Trotz seiner zahlreichen Mankos hätte es „The Silence“ durchaus zu einem soliden kurzweiligen Monster-Horror-Vergnügen bringen können – wäre da nicht das viel zu abrupte und unsagbar kitschige Ende.

Zwei Forscher schlagen sich mit Pickel und Hammer bewaffnet durch die dunklen Tiefen einer unbekannten Höhle und befreien dabei unbeabsichtigt eine überwältigende Horde prähistorischer Piranha-Fledermaus-Monster. Diese „Vesps“ sind zwar blind, avancieren aber aufgrund ihres exzellenten Gehörs zu tödlichen Killern, die in Windeseile ganz Nordamerika in Angst und Schrecken versetzen. So beginnt Netflix‘ neuester Horrorstreifen „The Silence“, der in den USA bereits seit Anfang April auf der Streaming-Plattform angeboten wird, in Deutschland aber erst am 16. Mai in die Kinos kommt.

Im Gegensatz zu „A Quiet Place“ und „Bird Box“ wird aus der Gestalt der „Vesps“ kein Geheimnis gemacht.

Es ist unmöglich, „The Silence“ nicht mit John Krasinskis viel gepriesenem Kinofilm „A Quiet Place“ (oder sogar dem Netflix-Viral-Hit „Bird Box“) zu vergleichen. Zu ähnlich sind sich die Filme in ihrer Handlungsprämisse, die da lautet: Amerikanische Mittelstandsfamilie (inklusive gehörloser Tochter) sieht sich durch eine von Monstern herbeigeführte Apokalypse dazu gezwungen, in einer plötzlich komplett veränderten Welt ums nackte Überleben zu kämpfen.

Kein Abklatsch, aber Trittbrettfahrer

Um einen reinen Abklatsch des 2018 erschienenen Kinohits handelt es sich bei „The Silence“ trotzdem nicht. Schließlich basiert der rund 90-minütige Horrorthriller von John R. Leonetti (Annabelle) auf Tim Lebbons gleichnamiger Romanvorlage. Diese erschien bereits 2015 und damit drei Jahre vor „A Quiet Place“.

Was es mit diesen beiden Toten auf sich hat, fragen sich nicht nur Ally und ihr Vater.

Dennoch wird man bei Betrachtung der unausgegorenen Charaktere und Handlungsstränge des Films den Gedanken nicht los, dass es hier einige Produzenten ein bisschen zu eilig hatten, auf den aktuellen Monster-Horror-Zug aufzuspringen. Auch die Wahl Kiernan Shipkas als Gesicht des Films erscheint wie ein geschickter Versuch, möglichst viele (besonders junge) Zuschauer anzulocken. Die hippe Jungschauspielerin schwebt aktuell in der Netflix-Neuadaption des Teenieklassikers „Chilling Adventures of Sabrina“ über die Bildschirme der Zuschauer und ist somit absolut clickworthy.

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Taubheit um der Taubheit willen

Wird dem Zuschauer zu Anfang noch vermittelt, Ally besitze durch ihre Gehörlosigkeit einen Vorteil in dieser neuen, sprachlosen Welt, so wird dieses Konzept im Nullkommanix über den Haufen geworfen. Klar, die Andrews profitieren davon, in Gebärdensprache miteinander kommunizieren zu können. Allerdings hindert das keinen von ihnen daran, zusätzlich zu flüstern. Die Gebärden und damit auch Allys Gehörlosigkeit, die eigentlich Potenzial für einen interessanten Perspektivwechsel bietet, werden somit zu einem faulen Gimmick.

Die Tatsache, dass die Vesps zwar auf das Zischen einer Klapperschlange reagieren, nicht aber auf die Geräusche, die bei einem Autounfall entstehen, ist nur einer von vielen logischen Fauxpas, mit denen der Zuschauer sich in diesem Film wohl oder übel arrangieren muss.

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Zusätzlich verwirrt „The Silence“ mit zahlreichen wild ins Geschehen hineingeworfenen Handlungssträngen. Diese sollen zwar offensichtlich für mehr Tiefe sorgen, werden jedoch allesamt nur kurz angeschnitten und nie weiter verfolgt geschweige denn näher erklärt.

So wird beispielsweise Allys Schwarm Rob (Dempsey Bryk, „Black Mirror“) als Ritter in glänzender Rüstung porträtiert (immerhin lernt er extra für Ally Gebärdensprache!), tritt während des gesamten Films insgesamt aber nur für wenige Minuten in Erscheinung. Es fällt daher schwer, gespannt auf eine Wiedervereinigung der beiden Liebenden hinzufiebern.

Zu viele Handlungsansätze, zu wenig Erklärungen

Auch das plötzliche Auftauchen einer sektenähnlichen Glaubensgemeinschaft mit dem gruseligen Namen „The Hushed“ sorgt zwar vorübergehend für einige verhältnismäßig spannungsgeladene Szenen. Diese verlieren jedoch dadurch an Momentum, dass weder der Ursprung der Gruppe noch ihre Motivationen ausreichend erklärt werden.

Gruseliger als die Fledermausmonster – vor allem, wenn sie ihren Mund öffnen.

Trotz all dieser Mankos hätte es „The Silence“ mit seinen namhaften Darstellern (Stanley Tucci überzeugt als kompetenter Vater, der an jeder Herausforderung wächst) durchaus zu einem kurzweiligen Monster-Horror-Vergnügen bringen können – wäre da nicht das viel zu abrupte und unsagbar kitschige Ende des Films.

Der Zuschauer verlässt den Kinosaal (oder die Couch) schließlich mit einem unbefriedigten Grummeln in der Magengegend. Und der Frage, ob für die Behandlung dieses stellenweise durchaus sozialkritischen und emotional bewegenden Erzählstoffs das Serienformat nicht vielleicht besser geeignet gewesen wäre.

„The Silence“, ab 16. Mai im Kino, in den USA bereits auf Netflix verfügbar. Ein deutscher Streamingstart steht noch nicht fest.

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