The Singles


Allen nönphysischen Tendenzen des Tonträgermarkts zum Trotz hört das Label Bureau B nicht damit auf, rar gewordene Vinylalben und -Singles wiederzuveröffentlichen. Was unser ausdrückliches Lob verursacht. Über den (Post-)Punk-Klassiker „Ein Jahr (Es geht voran)“ (Bureau B/Indigo) von Fehlfärben muss kein Wort mehr verloren werden (obwohl es sich lohnen würde, dies trotzdem zu tun). Auf der BSeite: „Feuer an Bord“ in einer seltenen Alternativversion und schön windschief.

Das alles kommt im Originalcover , inklusive „EMI Electrola“-Aufdruck auf der Rückseite der Hülle.

Der New Yorker Post-Disco-undwasweißichalles-Produzent Grückle alias William Burnett hat mit dem Titeltrack seiner „Desert Acid EP“ (Supersoul Recordings) ein kaum kategorisierbares Dingens aus schweren Basslinien, Gitarrensamples, psychedelischer Anmutung und discoidem Beat geschaffen. Der Track wird von den Düsseldorfern Musiccargo in ihrer Version zu einem flockigen, DFAesken New-Disco-Track mit Vibrafon verwandelt. Mit deutschem Gesang, der irgendwie an eine andere Band aus Düsseldorf erinnert.

Die knackige, über zwölfminütige Discohymne „Happy House“ (DFA) von The Juan MacLean kommt jetzt mit einer Reihe von Remixen (insgesamt zehn Tracks in der digitalen Version). Der „VHS Or Beta Remix“ arbeitet das Discoide unter Berücksichtigung von Philly-Streichern heraus. Im „Matthew Dear Vs. Audion Rcmix“ lässt der US-amerikanische Microhouse-Meister sein richtiges und sein Alter Ego aufeinandertreffen und fusioniert im Resultat minimaltechnoide Experimentiererei mit der Spiegelkugeldisco.

Es muss einmal gesagt werden: Das weithin verschmähte 2003er Album von Massive Attack, lOOTH WINDOW, ist um Längen besser als THIRD, das hochgelobte „Comebackalbum“ von Portishead aus dem Jahr 2008. Was allerdings keine Konsequenzen auf die „Splitting The Atom EP“ (EMI) hat: Der Titeltrack ist ein harmloser, cannabisdampfumnebelter Downtempotrack am Rande des Easy Listening. Eine Spur besser: „Pray ForThe Rain“ mit Gastsänger Tunde Adebimpe (TV OnThe Radio). Überhaupt hat es hier zu viele Gäste: Horace Andy, Martina Topley-Bird, Guy Garvey (Elbow) und noch ein paar andere.

Rumänien, Transsylvanien, Dracula, Vampire, verstehe. Der Mann, der sich The Model nennt, hat seine EP sinnigerweise „Vampire Funk“ (International Deejay Gigolos/RoughTrade)genannt. Vampiresk ist hier allenfalls eine gar nicht mal so schreckliche Düsternis in der Musik. „In The Night“ kommt als Technopop mit käsigen Sequencer-Einschüben, circa Orchestral Manoeuvres In The Dark, und wird dabei aber von einem subsonisch pumpenden Housebeat unterlegt. „Flex“ ergänzt das um ein paar hübsche Acidlines.

Der Berliner Produzent Oddvar ist jetzt mit seiner EP „For Lovers“ (Sportclub 21 /Kompakt) auf dem Sportclub-21-Label gelandet. Der erste Track „LovcMe“ ist diese Art von percussiongeladenem Minimalhouse, die ihren locker-leichten Groove aus der Repetition ihrer Bestandteile gewinnt. Da zappeln die Füße schon unterm Schreibtisch. Der Rest: reduzierter Post-Disco-Klapper-House, DFAish, mit gefühlten, aber nicht gehörten Kuhglocken.

Der „Relish E.P. Sampler“ (Relish/Groove Attack) gibt mit drei Tracks von drei verschiedenen Acts einen Eindruck vom revitalisierten Label, das schon Anfang des laufenden Jahrzehnts den Sound vom Ende desselben gemacht hat. Wir hören Labelgründer Headman mit seinem zwitschernden Future-Disco-Track „Random Disco“, der mehr Rock als Disco sein will. Die holländischen David GilniOUT GirlS mit „One For The Gipper“ – Hrppie-Gejamme mit einem leichten Dancefloorgroove. Und schließlich The C9ÖS aus London, die mit „10:01 „den 70er-Jahre-Funk auf den Discodancefloor zerren.

Die andere, bis hin zur Labelcopy in allen Einzelheiten liebevoll reeditierte 7-Inch von Bureau B: Die Single „Flammende Herzen“ (Sky/Bureau B/Indigo) von Michael Rother bedeuete nicht nur den Beginn der Solokarriere des ehemaligen Kraftwerk-, Neu!- und Harmonia-Mitglieds, sondern auch einen nicht zu verachtenden Chartserfolg, der dafür sorgte, dass man damals diesem Lied öfters auf Bayern 3 begegnet ist. Das von Rothers impressionistischem Gitarrenspiel getragene postkrautige Instrumentalstück und das gleichnamige Album veranlassten 1977 den Regisseur Walter Bockmayer dazu, Rothers Musik als Soundtrack für seinen Film zu verwenden, den er praktischerweise auch gleich „Flammende Herzen“ nannte. Durch Deutschland muss ein Riss gehen, befinden Die Sterne, benennen ihre aktuelle Drei-Track-EP „Der Riss“ (Gomma/Groove Attack), lassen die Musik von Mathias Modica (Gomma) produzieren und veröffentlichen sie gleich noch auf dem Münchner Neodisco-Label. Modica arbeitet das latent Discohafte der Sterne in seiner Produktion noch ein bisschen mehr heraus, aber ohne dass die Indiekids verstört auf der Tanzfläche umfallen würden. Denen rufen wir noch zu: “ You’re notalone in the disco, baby“, Die Sterne sind nämlich auch noch da.