Throwing Muses – Berlin, Lofft


Das Loft im Berliner Metropol-Komplex ist ein Brutkasten für musikalische Frühgeburten. Hier strampeln Bands um ihr Leben, bevor sie in die Öffentlichkeit treten, bevor sie auch die Masse überhaupt akzeptieren kann. Brutkasten auch im akustischen Sinne. Die bedrückende Enge macht aus dem Loft eine Zigarettenschachtel, beschallt mit der Wucht von ungefähr 14 Trash-Metal-Bands.

Angemessene Voraussetzungen also für die neuen amerikanischen Bands Pixies (aus Boston) und die Throwing Muses (aus Rhode Island), die sich erstmals auf deutschen Boden wagten. Obwohl sie beide von den musikalischen Trendspähern reichlich mit Vorschuß-Lorbeeren bedacht wurden, hielt sich das Interesse in Grenzen: Das Loft war nur zur Hälfte gefüllt.

Der kompromißlos harte Start der Pixies drückte die Zuschauer erst einmal ein paar Schritte nach hinten. Die Band hat einiges geschluckt: Punk der 70er, frischen Heavy Metal und Melodien aus amerikanischen Alpträumen. All das spuckten sie als Kraft-Brühe jetzt aus. Schnell und mit der Bösartigkeit moderner, dreckiger Gitarrenmusik. Songwriter, Gitarrist und Sänger Black Francis agiert so gequält, als habe er seine Männlichkeit zwischen die Saiten seiner Klampfe geklemmt; Drummer John Lovering prügelt seine Unterarmknochen auf das Fell, die Bassistin Mrs. Murphy verteilt Handkantenschläge, und Sologitarrist Joey Santiago macht

Fingerpicking auf blanken Nerven.

Das Material, überwiegend von der zweiten LP SURFER ROSA, brachte das erstaunlich alte Loft-Publikum prächtig auf Touren.

Danach entwarfen die Throwing Muses visuell wie akustisch ein diametrales Bild, das aber eben aus dieser Gegensätzlichkeit seine Kraft und seinen Charme gewann.

Sängerin Kristin Hersh sieht aus wie eine Hausfrau, die man vom Kochtopf der 50er Jahre direkt auf die heutige Bühne gebeamt hat. Stiefschwester und Gitarristin Tanya Donelly blickt so unschuldig drein wie ein amerikanisches Modell, das gerade mit einem TV-Prediger aus dem Hotelbett steigt. Leslie Langston, die dunkle Schönheit am Baß. gleitet geschmeidig durch die Löcher der Gitarrenwand. Und Drummer David Narcizo, ein drahtiges Hemd, bläst den Beat in den Rücken der Frontfrauen. Up-Tempo, Upper-Tempo. Uppest-Tempo. Suzanne Vega küßt Johnny Rotten. Die Bewegungen auf der Bühne sind weich, verhalten, ja fast introvertiert, aber der Gitarrensound ist dramatisch.

Jazz-Elemente wehen durch den Raum, Reggae-Rhythmen machen das stilistische Verwirrspiel der Throwing Muses perfekt. Als die Band schließlich die Schallmauer durchbricht, entsteht Bewegung vor der Bühne. Die Zuschauer werden hin- und hergerissen. Wer es gar nicht mehr aushält, versucht beim Veitstanz die wildgewordenen Töne von der Haut zu schütteln.

Urplötzlich war das Konzert zu Ende. Der Berliner Brutkasten hatte seine Schuldigkeit getan. Bis die beiden Bands eine breite Öffentlichkeit begeistern können, wird wohl noch eine Weile vergehen.