Tim Wheeler


1996 war seine Band Ash eine Teenie- Sensation im UK. Wir sprachen mit Sänger Tim Wheeler, der heute in New York lebt, über Sinn und Wahnsinn dieser Zeit.

Alle Vertreter des Britpop lehnten diesen Begriff damals vehement ab. Neue Bands wie Spector und Viva Brother aber lechzen geradezu nach dem Etikett Britpop. Warum ist das so?

Niemand möchte Teil einer Szene sein – gerade nicht, wenn sie so groß ist wie es Britpop war. Aber Nostalgie wirkt Wunder: Für junge Bands, die mit Oasis aufwuchsen, ist Britpop das Größte. Die verbinden mit dem Begriff nur Gutes und haben kein Problem mit ihm. Im Gegenteil.

Sie sind erst 35 Jahre alt. Wirkt es absurd, schon heute auf eine Generation an Gitarrenbands zu schauen, zu deren Vorbilder Sie gehören?

Natürlich, aber diese Zeit ist auch so schnelllebig wie keine zuvor. Es feiert ja alles ständig ein Comeback. Der Teil in mir, der es als schmeichelhaft empfindet, neue Bands zu beeinflussen, ist aber auch größer als der, dem es komisch vorkommt, jetzt schon zur alten Garde zu gehören.

Als ihr Debütalbum 1977 auf Platz eins der UK-Charts stand, waren Sie 19. Würden Sie rückblickend noch mal in so jungen Jahren anfangen?

In jedem Fall! Wir waren zwar keine zwei Wochen von der Schule weg, als der Erfolg kam, aber damals war das genau das Richtige für uns. Welcher Teenager träumt nicht davon, Rockstar zu sein? Und wir waren ja nicht die einzigen: Überall explodierten junge Bands. Das führte natürlich zu Wettbewerb, aber ich empfand ihn als angenehm, weil er so kreativ war. Es sind schon verdammt viele gute Platten damals entstanden.

Ihr zweites Album, das harte Nu-Clear Sounds, stieß viele Fans, die Sie für Ihre euphorischen Singalongs liebten, vor den Kopf. Absicht?

Ja, das war unsere Katerplatte. Von 1995 bis 1997 haben alle gefeiert, viele davon am meisten sich selbst. Das ging uns auf die Nerven. Wir wollten etwas dagegenhalten, eine grobschlächtige Platte mit wenig Hitpotential.

Sie wurde dann auch ein ziemlicher Flop.

Es ist nicht leicht, die Erwartungen der Plattenfirma nach einem erfolgreichen Debüt nicht zu erfüllen. Du weißt ja nicht, ob sie dir danach noch eine Chance geben, weiterhin Musik zu veröffentlichen. Aber wir konnten nicht anders. Ich mag das Album immer noch sehr.

Noel Gallagher behauptet, dass Oasis die letzte große Gitarrenband gewesen ist. Sehen Sie das auch so?

Nun ja, die Strokes, die White Stripes und diese UK-Bands der mittleren Nullerjahre wie Franz Ferdinand, die haben doch gute Musik gemacht.

Aber wer hielt denen bei den dritten Alben noch die Stange?

Dass diese Bands schnell wieder weg vom Fenster waren, liegt wohl aber vor allem an der Krise in der Musikindustrie. Wer kann denn heute einen Künstler noch langfristig aufbauen, ihn sich entwickeln lassen? Wenn heute eine Platte floppt, wirst du sofort fallengelassen.

Gehören Sie der letzten Generation an, der das noch möglich war?

Kann gut sein. Aber dieser Nachteil für junge Bands wird doch insgesamt auch von vielen positiven Entwicklungen aufgehoben: Heute kann praktisch jeder Musik machen – und das auch noch umsonst. Ein paradiesischer Umstand aus Sicht der Neunziger. Stephan Rehm