Tittenschaukeln und Schwanzwackeln


Mit Techno-Punk, Sex-Slogans und einer wüsten Bühnenshow verstört Peaches nicht nur ihre Mama. Aber keine Angst: Sie will nur spielen.

Auf der Videoleinwand eine Frau, die sich mit zwei silbernen Lustkugeln zwischen den Beinen reibt und grimmig grinst. Jetzt kommt die Frau auf die Bühne, spuckt Kunstblut, springt wild zu stupenden Computerbeats und brüllt: „Fuck the pain away!“ Mensch, ist das ätzend, denkt Mann, wenn sich Frauen aufführen wie schlecht erzogene Männer. Mann gruselt sich und fühlt sich unwohl und geht trotzdem nicht, weil die Faszination an der Perversion den Blick auf die Bühne zieht an diesem Tag im Jahr 2002 in Hamburgs „Fabrik“. Ein Jahr später sitzt Mann – also der Autor- der Frau gegenüber und erzählt, wie er sich unsittlich berührt fühlte und abgestoßen angezogen von dem Konzert, und Frau, also Peaches, haut sich lachend auf die Schenkel und ruft: „Das ist lustig. Das ist Peaches. Guten Tag, Schock-Pop. Hallo, Verstörung. Wo waren wir?

Peaches heißt mit bürgerlichem Namen Merrill Nisker, ist 36 Jahre alt, Kanadierin, zierlich und drahtig und abseits der Bühne eine einnehmend freundliche Person. Früher hat sie kleinen Kindern beigebracht, wie man kreativ Musik macht – eine Art alternativer Musikunterricht war das. Vor drei Jahren zog sie dann von Toronto nach Berlin, veröffentlichte ihr Debüt the teaches of peaches, was nichts weiter ist als minimalistischer Techno-Punk, über den sie atemlos Slogans schreit und spricht wie diese: „sucking on my titties“, „diddle my skittle“ und auch nett: „motherfuckers wanno get with me, lay with me, love with me.“

Da bleiben keine Fragen offen. Das lässt keinen kalt und polarisiert wie Harzer Käse. Natürlich läuft so was weder im Radio noch im Fernsehen. Trotzdem ist Peaches mittlerweile berühmt. Björk, die Queens Of The Stone Age und Boy George bewundern sie. Ihre Konzerte sind meist ausverkauft. Ihr neues Album heißt fatherfucker. Vaterficker?

„Hast du mal über das Wort ‚Motherfucker‘ nachgedacht?“, fragt Peaches. „Das ist ein richtig böses Wort, und wir benutzen es jeden Tag. Wäre ich eine Ultra-Feministin, würde ich sagen: ‚Don’t say motherfucker!‘ Ich nenne mein Album aber einfach ‚Fatherfucker‘. Das sagt dann alles.“ Peaches schlägt zurück und kämpft mit den gleichen Waffen wie die Männer. Das macht die Männer ganz wirr im Kopf. So ist das, wenn man männliche Sexisten mit weiblichem Sexismus konfrontiert: es knallt.

..Deswegen singe ich auf dem neuen Album auch: „Shake your tits, shake your dicks.“ Jeder Kerl wird sagen: ,Ist die doof? Ich wackle doch nicht mit meinem Schwanz.

Aber zu jedem Mädchen wird gesagt: ,Hey, shake your oss.‘ Das ist okay und das andere nicht, oder was?“ Peaches ist Punk. Sie verstört und verstößt gegen Konventionen. Sie hält der Gesellschaft den Spiegel vor, und das tut der Gesellschaft weh. Auf jedem ihrer Konzerte gibt es Leute, die ihr angewidert „You suck!“ entgegenbrüllen. Peaches sagt dann nur trocken: „Yeah, und ich schlucke auch.“

In Toronto gründete sie einst ein Folk-Duo namens Mermaid Cafe und dann mit dem Gonzo-Popper Gonzales die Elektro-Avantgarde-Band The Shit. Mit Gonzales ging sie nach Berlin. Beide waren umgehend ein Teil der Szene, doch entgegen allen Gerüchten waren sie nie ein Paar, sondern immer nur Freunde, wie Peaches versichert. Mit züchtig übereinandergeschlagenen Beinen sitzt sie da, nippt an ihrem Tee und pickt wie ein Spatz in einer Portion Spaghetti. Das ist dieselbe Frau, die auf der Bühne Blut und Galle spuckt, die schreit und trampelt und das Publikum auffordert, sich wie Hunde von hinten zu begatten, um dann mitten hinein zu springen, während sie sich die Kleider vom Leib reißt. Peaches sagt:

„Dieser Rock ’n ‚Roll-Machismo ist ein Teil meiner Persönlichkeit. Auf der Bühne lasse ich ihn raus. Ich spiele, suche das Kind in mir und will mich nicht bremsen. „Als ihre Mutter von all dem erfuhr, fragte sie entsetzt: „Kind, warum bist du so wütend? Was ist mit dir passiert? Und was soll das mit dem Sex?“ Aber am Ende ging auch das mit Mama klar: „Vor einem Monat war sie auf meinem Konzert in Toronto und sagte hinterher:, Kind, du bist ja gar nicht wütend. Du hast einfach nur deinen Spaß. Du bist lustig!'“