Tsching Bumm


Sie leiden alle unter dem "Ringo-Syndrom": Der Drummer ist immer der letzte Dreck. Im Rampenlicht steht der Sänger, vielleicht noch der Gitarrist — den Mann hinter der Schießbude hingegen registriert in der Regel niemand mehr. ME/Sounds zerrte die zu Unrecht Vergessenen ans Tageslicht und befragte sie nach ihrem Favoriten.

ROGER TAYLOR (Queen) „Technik, Power, Tempo und enorme Ausdauer — das sind die Voraussetzungen für einen guten Drummer. Denn die Drums sind ein kompliziertes Instrument, vor allem wenn es darum geht, handwerklich gut und zugleich differenziert zu spielen, John Bonham war gewiß mit Abstand der beste Rock-Drummer der Welt, einfach weil er seiner Zeit um Lichtjahre voraus war. Sein Gespür für Dynamik und seine angeborene perfekte Technik verbanden sich zu einer einzigartigen Spielweise, die auch heute noch von jungen Drummern oft und gern kopiert wird.

Von den noch lebenden Drummern stehen für mich Cozy Powell wegen seiner immensen Power und Simon Phillips wegen exzellenter Technik und höllischem Tempo ganz vorne in der vordersten Reihe.“

RICK ALLEN (Def Leppard) „Eine der ersten Bands, auf die ich total abfuhr, war Deep Purple mit Ian Paice am Schlagzeug; sein Tempo hat mich immer wieder vom Hocker geblasen. Aber auch Stewart Copeland hat mich mit seinem komplizierten Spiel nachhaltig beeinflußt, als er noch bei Police war.

Momentan ist Dave Weckl aus Chick Coreas Band mein Top-Favorit. Er gehört zum Glück nicht zu jenen Kollegen, die meinen, mit mathematischer Präzision auftrumpfen zu müssen. Bei ihm klingt alles leichthändig und behende, als sei’s eine der einfachsten Übungen. Zudem kann man viel von ihm lernen. Ein weiterer, fähiger Kandidat ist für mich Rob Affuso von Skid Row.“

NICK MASON (Pink Floyd) „Simon Phillips steht momentan ganz oben auf meiner Liste. Er ist ein total relaxter Typ, der ohne die sonst üblichen gymnastischen Verrenkungen genau das spielt, was man von ihm erwartet. Er agiert geschickt, er glänzt mit technischen Raffinessen und mit Einfühlungsvermögen in alle Situationen. Deshalb wollen auch derart viele verschiedene Musiker immer wieder mit ihm zusammenarbeiten. Er ist in der Tat ein musikalisches Chamäleon.“

STEWART COPELAND (Ex-Police) „Virtuosität ist spätestens seit dem Siegeszug des Punk verpönt und vielen Drummern ein Greuel. Der Schlagzeuger ist in der Regel der unsicherste Kantonist in einer Band. Ihm fällt vornehmlich eine unter-stützende Rolle innerhalb des rhythmischen Gefüges zu, er spielt also kein Lead-Instrument und sollte deshalb auch niemals im Zentrum des Interesses stehen.

Mel Gaynor von den Simple Minds ist mein Mann — ein solider Handwerker, der seine Rhythmus-Arbeit niemals übertreibt. Ebenso wie James Brown von ÜB 40.“

MEL GAYNOR (Simple Mindsl „Als wirklich guter Drummer wird man geboren. Aus einem unbegabten einen talentierten Rock-Schlagzeuger zu formen, ist unmöglich — entweder hat man’s, oder man läßt besser die Finger davon. Simon Phillips ist einer, der’s hat und von dem viele Kollegen in der Rock-Szene eine Menge gelernt haben. Trotzdem ist Dennis Chambers, der schon mit David Sanborn, Parliament und Funkadelic gespielt hat, mein persönlicher Champion — aufgrund seiner überragenden Technik.“

CHRIS SLADE (AC/DC) „Das wesentliche Merkmal eines guten Drummers ist. wie er den Takt schlägt und vor allem auch hält. Theatralische Gesten mögen im Rock V Roll durchaus ihren Reiz haben, sind aber letztlich unerheblich. Einige Trommler haben von Geburt an ein besseres Gespür für Rhythmen als andere. Doch ein Manko auf diesem Gebiet läßt sich durch intensives Üben allmählich wettmachen.

Phil Collins ist nach meiner Einschätzung schlicht der beste.“

IAN PAICE (Deep Purple] „Den Unterschied zwischen einem guten und einem überragenden Drummer objektiv erklären zu wollen, ist schier unmöglich. Dazu sind die Kriterien viel zu subjektiv, viel zu persönlich. Manche Leute üben ihr liebes Leben lang und kommen trotzdem keinen Schritt von der Stelle. Andere hingegen haben das besondere Etwas von Anfang an, sozusagen gottgegeben. Auf jeden Fall muß ein Drummer in erster Linie seine Reflexe gut im Griff haben: Er muß seine Körperbewegungen auf den Schlag genau beherrschen, sonst geht gar nichts.

Simon Phillips ist zweifellos der beste Drummer der Welt. Er spielt mit beiden Händen gleichzeitig derart geschickt und geschwind, daß es mir trotz intensiven Studiums bis heute nicht gelungen ist, herausfinden, wie er das wirklich bewerkstelligt.“

JÜRGEN ZÖLLER (BAP) „lan Wallace, der unter anderem schon für Bob Dylan, Jackson Browne oder David Lindley die Stöcke geschwungen hat, war am Anfang für mich sicher besonders einflußreich. Und natürlich Mitch Mitchell von Jimi Hendrix Experience wegen seiner unheimlichen Power. Er gehörte damals zu meinen Idolen. Heute bewundere ich vor allem Manu Katche, Süngs Studio-Drummer, der mich mit seinem eher perkussiven Spiel immer wieder verblüfft. Auch Stewart Copeland zählt zu den innovativen Vertretern der Gilde. Mein Favorit aber ist Jeff Porcaro von Toto. So besessen und zugleich locker wie er groovt kein anderer.“

PHILTHY ANIMAL TAYLOR (Motörhead) „Mein Vater tingelte in den 60er Jahren mit einer Musikkabarett-Truppe namens The Peddlers kreuz und quer durch England. Er hat mich auf die Idee gebracht. Schlagzeug zu spielen.

Trevor Lorray hieß der Drummer der Peddlers, und ich hatte während etlicher Sound-Checks Gelegenheit, ihn aus unmittelbarer Nähe zu studieren. Deshalb war er eine Art Lehrer für mich, bevor mich mein Dad zum Schlagzeugunterricht schickte. Davor übte ich fast ausschließlich mit den Jazz-Platten meines Daddies. Erst durch Stars wie Mitch Mitchell, Ginger Baker von Cream und Keith Moon von The Who kam ich zum Rock ’n‘ Roll. An vielen sogenannten Super-Drummern der Gegenwart stört mich das perfekte, klinisch reine Spiel ohne jeden Funken Gefühl. Vor die Wahl gestellt, würde ich mich für Omar Hakim, den früheren Schlagzeuger von Weather Report, entscheiden; Er bringt Tradition und Technik auf einen Stock, äh Nenner.“

CURT CRESS „Der erste, den ich bewußt wahrnahm, war Mitch Mitchell. Obwohl er, wie ich aus heutiger Sicht zugeben muß, beschissen spielte, hat er mich doch irgendwie gereizt, wahrscheinlich weil das Schlagzeug eine dermaßen tragende Funktion im Rahmen der Jimi Hendrix Experience hatte. Doch den größten Flash verursachte damals Billy Cobham. Daß ein kraftvoller und technisch versierter Drummer eine derart gewichtige Rolle innerhalb einer Band übernahm, das kitzelte meine Eitelkeit so sehr, daß ich mich anschließend in Klaus Doldingers Passport fast zu Tode trommelte. Heute begeistert mich Simon Phillips, der tierisch vielseitig ist und in Jazz, Rock oder Pop gleichermaßen virtuos auftrumpft.“

COZY POWELL (Black Sabbath) „Angesichts der vielen verschiedenen Drum-Stile ist es schwer, einen bestimmten Typ herauszustellen. Ich selbst höre mir mit Vorliebe Leute wie Steve Gadd, den einstigen Drummer von Steely Dan, Vinnie Colaiuta, der früher bei Frank Zappa trommelte, und Jeff Porcaro von Toto an. Alle drei bestechen durch ihre Beständigkeit und die Verbindung von überragender Technik mit Gefühl.

Meine absoluten Favoriten, Buddy Rieh und John Bonham, weilen leider nicht mehr unter uns. Darüber hinaus stehe ich auf Mel Gaynor von den Simple Minds und vor allem auf Simon Phillips, der in seinem Spiel so vielseitig ist, daß er je nach Bedarf völlig verschiedene Stilrichtungen spielen kann.“